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Ein Abteil für zwei reloaded – oder die phantastische Reise des Edward Cullen

von cbra
Kurzbeschreibung
GeschichteHumor, Liebesgeschichte / P16 / Het
Edward Anthony Masen Cullen Isabella "Bella" Marie Swan
30.12.2014
30.12.2014
1
20.030
9
Alle Kapitel
6 Reviews
Dieses Kapitel
6 Reviews
 
 
 
30.12.2014 20.030
 
Genre:
Romanze / Humor

Einstufung Alter:
P16 (ja, diesmal höher als das Ursprungsabteil, Herr E. Cullen ist Schuld *hust*)


Noch ein paar Worte dazu (kann man, muß man nicht lesen) *zwinker*:

Am 26.12.14 hatte das Abteil für zwei seinen 4. Jahrestag. Schon als ich es aus Bellas Sicht geschrieben habe, hatte ich auch die von Edward im Hinterkopf. Wer mich und mein Geschreibsel kennt, weiß, daß sich hinter jedem Detail etwas versteckt.

Dieser OS ist schon vor 3 Jahren grob geplant worden, vor 2 Jahren geschrieben, letztes Jahr verbessert, gebetat von der lieben rosafeenzauberin und halb korrigiert von mir liegen gelassen, weil die Zeit gefehlt hat. Dieses Jahr habe ich ihn mir vorgeknöpft, das letzte Bißchen rausgekitzelt und bin endlich zufrieden damit.

Dieser OS ist mein Dankeschön für den damals ersten Platz beim Wettbewerb des ursprünglichen Abteils aus Bellas Sicht und für all die lieben Mails und über 60 Reviews, die ich bekommen habe. DANKE!

Ich habe euch zum lachen gebracht, euch mit dem Klingelton in den Wahnsinn getrieben und zig Fragen zu den beiden gestellt bekommen. Nun, ich denke, aus Edwards Sicht werdet ihr einiges (neues) entdecken können.  Ich bin schon mördermäßig gespannt, wie ihr es findet.

Viel Spaß damit.

(Und, nein, ihr müßt das Original nicht noch mal lesen. Geniest einfach diesen OS.)


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„In Ordnung, Mister Banner. Vielen Dank für die Information. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes Fest. Wiederhören.“

Seufzend legte ich auf und verdrehte die Augen. Dieser Mandant brachte mich um meinen Verstand, aber wenigstens hatte er die Klage eingestellt. Herrgott, wie konnte man nur wegen Lappalien wie einer Weihnachtsdekoration einen Kleinkrieg mit seinen Nachbarn anzetteln?

Kopfschüttelnd lehnte ich mich in meinem bequemen Ledersessel zurück und war versucht, meine Füße auf den Schreibtisch zu legen. Immerhin hatte ich bis auf einigen Papierkram soweit alles abgearbeitet. Meine Augen blieben auf dem Umschlag am Ende des Tisches hängen, der vor ein paar Tagen in meinen Briefkasten sein neues Quartier bezogen hatte, um sich in meinem Leben breit zu machen und mir Höllenqualen zu bereiten. Zögerlich setzte ich mich auf und drehte ihn in meinen Händen, öffnete ihn zum bestimmt hundertsten Mal, als wüßte ich nicht, welcher Horror sich darin versteckte. Ich zog das Blatt Papier mit spitzen Fingern auseinander und das Corpus Delicti plumpste vor mich.


Lieber Edward,

ich weiß, Geschenke sind nicht Dein Ding, aber Deine Mom und ich dachten, etwas mehr Zeit kann niemand abschlagen. Deshalb findest Du in dem Umschlag ein Flugticket, damit Du auf dem schnellsten Weg die Festtage bei uns verbringen kannst.

Frohe Weihnachten

Dad



Unbehaglich griff ich nach dem Teufelspräsent. In zwei Stunden sollte mein Arsch was weiß ich wie hoch schweben, wenn es nach meinen Eltern ging. Mal ehrlich, sollten Menschen fliegen, dann wären sie mit Flügeln geboren worden. Allein der Gedanke an diese Tortur ließ mich in Angstschweiß ausbrechen. Langsam öffnete ich meine Schublade und starrte auf meinen Zugfahrschein, der es sich dort schon seit Wochen gemütlich gemacht hatte und holte ihn hervor. Ich wog beide in meinen Händen ab.

Rechts hielt ich den Wisch für die fliegende Höllenmaschine… Ich schauderte.

Mein Blick ging zu meiner anderen Hand. Versus harmlose, gemütliche, unheimlich bequeme Bahnfahrt mit wunderschönem Ausblick und gutem Kaffee.

Die Fakten sprachen für die linke Hand.

Ja, ich würde viermal so lange unterwegs sein, aber mein Hintern hatte Bodenhaftung. Das war es mir wert. Also stand ich samt Brief und dem Inhalt des Grauens auf, traf eine Entscheidung und schlurfte voller Reue zu dem Reißwolf.

„Sorry, Dad“, murmelte ich, steckte das Papier in den Schlitz und beförderte es in das Nirwana.

Außer meinen Geschwistern wußte keiner um meine Flugangst. Hätte es nicht dieses verdammte Flaschendrehen samt Wahrheit oder Pflicht an diesem verhängnisvollen Halloweenabend gegeben, wäre es noch immer mein gut gehütetes Geheimnis. Zum Glück hatte ich die anderen zum Schweigen verdonnern können. Meine Eltern hingegen ahnten nichts und ich würde einen Teufel tun, ihnen meine Panik zu beichten. Ab zwei Meter bekam ich Probleme und ich sprach aus Erfahrung, war ich schließlich 1,88 Meter groß. Das war mehr als genug. Noch fünf Zentimeter mehr und ich würde ausflippen. Schon jetzt waren in manchen Gebäuden die Türrahmen so niedrig, daß ich mir bei Hausbesuchen meiner Klienten mehr als einmal den Kopf angeschlagen hatte.

Und verflucht noch mal, wie sah das denn bitteschön aus? Ein Anwalt mit einer fetten, farbenfrohen Beule an der Stirn. Und wenn man auf seinen Schädel aufpaßte, daß der keinen Scheiß machte und irgendwo andockte, dann machten die Füße Blödsinn und stolperten über abgefuckten Mist. Nein, danke, was gäbe ich drum die Größe meiner Schwester zu haben. Was ich zu viel abbekommen hatte, hatte sie zu wenig. Das einzige was sie beklagen konnte, war ein steifer Nacken, vom ständigen Hochschauen zu ihren Brüdern und ihrem Freund. So hatte jeder seine Last zu tragen.

Befriedigt sah ich die Papierstreifen im Mülleimer an und mir war, als falle eine zehn Tonnen Last von meinen Schultern. Ich konnte den Aufschlag praktisch hören. Mir würde schon eine gute Notlüge für meine Eltern einfallen – war mir bisher immer. In so etwas konnte ich gut sein, wenn ich wollte. Es war perfekt für meinen Beruf, auch wenn ich es nahezu nie brauchte. Zu mir kamen die Unschuldigen und die Opfer. Dank meiner Menschenkenntnis und der gut laufenden Kanzlei konnte ich es mir sogar leisten, Leute abzulehnen, wenn mir ihre Geschichte nicht gefiel. Denn alles was ich wollte war, Recht und Gesetz zu schützen.

Ok, genug abgeschweift, schimpfte ich mit mir und wandte mich zu meinem Schreibtisch um, als Angela hereinkam. Seths und meine Sekretärin, war nur vier Jahre jünger als ich und unheimlich talentiert was den Papierkram, Terminabsprachen und ähnliches anging. Ohne unsere Perle wollte ich mir den Laden nicht vorstellen. Allerdings hatte sie heute ihren schlechten Tag. Den ganzen Morgen hatte sie mir schon die Hölle heiß gemacht, was ich alles noch zu erledigen hatte und zwischenzeitlich hatte ich mich gefragt, ob ich ihr Angestellter und sie meine Vorgesetzte sei.

„Chef“, brummte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

Oha, wenn sie mit dieser Bezeichnung ankam, war sie wirklich mißgestimmt, denn für gewöhnlich nannten wir uns beim Vornamen – es sei denn Mandanten waren anwesend. Vorsichtig spähte ich zu ihr herüber.

„Ja?“ fragte ich unsicher.

„Wolltest du nicht die Grußkarten unterschreiben? Ich habe jetzt bereits vierzig eingetütet und plötzlich merke ich, daß dort nur Clearwater steht und nichts von Cullen zu lesen ist. Machst du das mit Absicht? Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kurz vor Weihnachten?“

„Öhm, nein.“

Wild schüttelte ich meinen Kopf.

„Warum sind wir eigentlich dieses Jahr dermaßen spät damit?“ wagte ich mich zu fragen.

Dafür erntete ich einen vernichtenden Blick. Nur mit Müh und Not behielt ich die Haltung und duckte mich nicht hinter meinen Stuhl. Das Gewitter, das folgte, war nicht von schlechten Eltern. Angela explodierte förmlich, als sie mir in Erinnerung rief, daß ich den Inhalt meines Wasserglases über ihren Rechner geschüttet hatte, der sich mit einer dampfenden Wolke in das Nirwana der Elektronik verabschiedete und all ihre Arbeit vernichtete, die sie dummerweise noch auf dem Desktop hatte liegen lassen. Nun, ich hätte ihr die Schuld geben können, warum sie nicht auf dem Netzwerk ihre Dokumente ablegte, aber blöderweise hatte ich es auch dort schon geschafft, Briefe verschwinden zu lassen. Nun, zumindest wurde mir das nachgesagt. Ich war mir ehrlich gesagt keiner Schuld bewußt. Was konnte ich dafür, wenn man mir unterstellte, daß ich zuletzt dran gewesen sei?

Nun, als sie die Datei mit dem neuen Rechner samt Verknüpfungen zu sämtlichen Kundendaten erstellt hatte und sie die Karten drucken wollte, hatte ich einen Seriendruck versehentlich gestartet, der all das fein schimmernde Papier mit Anklagepunkten diverser Fälle übersäte. Ähm, ja, das war keine meiner Sternstunden und brachte unsere Sekretärin an den Rande des Nervenzusammenbruchs, denn inzwischen war der Produzent unserer Weihnachtskarten pleite gegangen. Mir war unbegreiflich, wie das kurz vor dem Fest hatte passieren können. An uns lag das mit Sicherheit nicht. Ok, das hatte uns weitere zwei Wochen gekostet, bis Seth und ich uns erstens auf einen neuen schimmernden Ton einigen konnten und zweitens wir es extern fertigen lassen konnten, denn Angela weigerte sich, das noch mal in meiner unmittelbaren Nähe finalisieren zu müssen.

Grummelnd drehte sie sich um, marschierte zu ihrem Arbeitsplatz, der in dem Vorraum zu unseren zwei Zimmern war, holte einen Stapel Karten und türmte ihn vor mir auf. Der schiefe Turm von Pisa war ein Dreck gegen das Kunstwerk, was sich vor mir aufbaute. Leise murmelte ich ein Danke, doch sie winkte nur ab und verließ den Raum, nicht ohne geräuschvoll die Tür hinter sich zu schließen. Zudonnern wäre wohl die richtige Umschreibung. Das Gebilde vor mir wurde erschüttert und kam in gefährliche Schieflage. Hastig streckte ich die Hände danach aus, um es vor einem Sturz zu bewahren, doch es war zu spät. Der Stapel verteilte sich großzügig auf dem Boden. Augenrollend ließ ich mich auf die Knie nieder und begann den Krempel aufzusammeln. Ich streckte mich gerade nach einem Abkömmling, der sich unter meinen Schreibtisch verirrt hatte, als die Tür ein weiteres Mal aufging. Ich verdrehte den Kopf und erkannte Angelas Pumps. Hitze stieg in mir hoch. War das peinlich. Sie verkniff sich einen Kommentar über mein Hinterteil, das unter dem Tisch hervorblitzte und legte etwas über mir ab. Wortlos verließ sie den Raum.

Stöhnend krabbelte ich zurück und rappelte mich auf. Pisa hatte Nachwuchs bekommen. Verdammt, seit wann hatten wir einen solch großen Kundenkreis? Um mich noch ein paar Momente vor der unliebsamen Arbeit drücken zu können, wanderte ich durch den Raum, öffnete die Tür und lehnte mich lässig in den Rahmen. Angela sah von ihrer Arbeit auf.

„Hmm?“ brummte sie.

Unbedarft wedelte ich mit meinen Armen vor mir rum.

„Was ist los? Warum bist du so schlecht drauf?“

Kaum hatte ich die Frage gestellt, da bereute ich sie auch schon. Notiz an mich selbst, sprich niemals deine Sekretärin auf ihre Probleme an. Aus Angela schossen wie aus der Pistole die Worte hervor. Daß sie noch nicht alle Einkäufe erledigt hatte, die gewünschte Torte nicht mehr lieferbar war, es ihrer Großmutter schlecht ging, ihr Nachbar sie heute morgen schikaniert hatte und dann begannen auch schon meine Ohren zu bluten. Selten hatte ich sie so in Rage gesehen. Als sie erwähnte, daß ihr noch zwei Geschenke fehlten, blinzelte ich sie entsetzt an.

Fuck! Ich hatte meine zu Hause liegen lassen. Das würde ich nie und nimmer pünktlich zu meinem Zug schaffen. Doppelfuck! Ich war dabei, in Schnappatmung zu verfallen, als mir eine Idee kam.

„Angela“, mit meiner lieblichsten Samtstimme versuchte ich sie einzulullen – und es gelang. Sie sah mich ruhig an und lächelte verhalten.

„Sag doch gleich, daß du früher gehen möchtest. Kein Problem.“

Ihre Mine hellte sich sichtbar auf.

„Echt? Edward, das wäre super!“

Ha, da war er wieder: Ade Chef, willkommen Edward. Breit grinste ich sie an.

„Klar, für unsere Spitzenkraft doch immer. Hast es dir verdient, mußt uns oft genug mit all unseren Macken ertragen.“

Oh ja, das mußte sie. Angela schwieg mit einem wissenden Lächeln und nickte.

„Ok, bevor du dich allerdings aufmachst, habe ich noch eine Aufgabe für dich.“

Mißtrauisch sah sie mich an. Die Gute hätte Model werden sollen. Ich hörte einen imaginären Fotografen säuseln: Schau böse, jetzt bitte strahlen und nun den todbringenden Blick. Herrgott, sie konnte auf Knopfdruck umschalten.

„Schau nicht so grimmig, es wird dir gefallen“, beruhigte ich sie und zog meine Autoschlüssel hervor.

Sofort verklärte sich ihr Blick. Ich sag´s ja, Model, sie hatte ihren Job verfehlt. Sie mußte nur noch etwas mit ihren Haaren anstellen, damit sie nicht mehr so streng wirkte.

„Während ich den Kartenberg mit meinem Namen verziere, müßtest du meine Geschenke bei mir daheim abholen.“

Nun zog ich meinen Wohnungsschlüssel hervor und hielt ihr beides vor die Nase.

„Du bekommst also eine schöne Fahrt quer durch Los Angeles mit meinem Aston und wenn du zurückkommst, mußt du nur noch die Karten versandfertig machen und kannst in die Feiertage verschwinden. Na, wie klingt das?“

Hatte ich es nicht schön verpackt? Kein Wort von Stau, den Irren, die sich durch die weihnachtlichen Straßen quälten und nach freien Parkhäusern suchten. Ich war stolz auf mich und kam mit der Masche sogar durch. Angela schnappte sich ihre Jacke und die Schlüssel und war schneller durch die Tür als ich, „Aston Martin“, sagen konnte.

Mein Auto war mir heilig. Ich hatte den tiefschwarzen Traum von Wagen erst seit einem halben Jahr und pflegte das Baby wie einen Schatz. Aber es half ja nichts, zweiteilen konnte ich mich nicht. Kopfschüttelnd ging ich zurück in mein Büro und machte mich an den Pisaberg. Wenn das so weiter ging, bekam ich noch Arthrose in meinen Fingern. Als ich die Hälfte hatte, schnaufte ich auf, legte den Stift hin und verließ mein Büro, um in die Küche hinüberzugehen. Seth lehnte an der Wand und fixierte die Kaffeemaschine, die in den letzten Zügen vor sich hintröpfelte.

„Meinst du es geht schneller, wenn du sie anstarrst?“ feixte ich zu meinem Partner.

Lässig schnappte ich mir ein Glas und die Wasserflasche, um mir etwas einzuschenken. Das lästige Unterschreiben machte mich durstig.

„Pfff“, war alles was er von sich gab.

Der Kerl war ein Kaffeejunkie allererster Güte. Regelrecht koffeinsüchtig. Ein Tag ohne dieses schwarze Gesöff war undenkbar für ihn. Ich konnte froh sein, wenn ich am Tag eine bis zwei Tassen zu fassen bekam.

„Weißt du wo Angela abgeblieben ist? Ich hätte noch einen Brief zum abtippen“, bemerkte er über seinen Becher hinweg.

„Sie holt meine Geschenke. Hab sie Zuhause liegen lassen. Mein Zug geht in eineinhalb Stunde. Das wird eh schon knapp, aber jetzt habe ich auch noch den Kartenberg abzuarbeiten. Mir schmerzt bereits das Handgelenk und den Namen E. Cullen kann ich langsam nicht mehr sehen.“

„Zug? Nach Chicago? Wer tritt freiwillig diese Fahrt an?“

„Ich. Denn die Flieger waren alle ausgebucht. Kein Platz war mehr zu bekommen“, log ich ohne die Miene zu verziehen.

Er grinste breit und ich tat es ihm gleich.

„Also wie jedes Jahr. Alles auf den letzten Drücker?“

Gut gelaunt zog ich meine Schultern hoch.

„Schuldig im Sinne der Anklage.“

Seth lachte, dann grabschte er sich einen der Kekse die auf dem Tisch standen und goß sich von der schwarzen Flüssigkeit nach, an der er sofort nippte.

„Die Maschine wird auch immer träger. Ich hasse es zu warten. Wie wäre es, wenn wir uns eine neue anschaffen, die schneller ist? Diese macht mich noch wahnsinnig!“

Er plapperte darauf los, welches Modell ihm vorschwebte, welche Schikanen sie haben sollte und in welcher Farbe sie sich gut in unserer Küche machen würde. Ich hingegen lächelte vor mich hin und nippte an meinem Glas, während ich ihm zuhörte. Wenn er wollte, konnte er ohne Punkt und Komma sprechen. Bei Gericht nannte man ihn deshalb hinter vorgehaltener Hand bereits Speedy Gonzales. Während Speedy also einen Monolog über das schwarze Gebräu führte und über den Geschmack insbesondere, gab die Maschine einen erschöpften Schnaufer von sich.

Er grummelte vor sich hin und bedachte die Maschine mit einem todbringenden Blick.

„Mal schauen, wann ich heute den Laden verlasse. Es gibt noch einiges zu regeln.“

Für seine Themenwechsel war er ebenfalls berühmt berüchtigt und trieb damit des öfteren die Richter in den Wahnsinn.

„Pflichtbewußt wie immer, Mister Clearwater. Bleib nicht zu lange. Ich habe Angela frei gegeben. Sie wird bald verschwinden.“

Seth wedelte gleichgültig mit seinen Armen.

„Es sei ihr gegönnt. Nach dem sie meinen Brief fertig hat.“

Seth goß sich erneut ein, stürzte sich darauf, wie ein ausgedörrter Wüstenbewohner auf einen Tropfen Wasser und verschwand zurück in sein Büro.

Ich hingegen traf eine Entscheidung und zückte mein Smartphone. Monatelang war ich der festen Überzeugung gewesen, daß ich solch ein Teil nicht benötigte, doch mein Bruder Emmett hatte mir trotzdem eins zu meinem Geburtstag geschenkt. Er war ein Technikfreak par excellence, stets hatte er die neuesten Spielekonsolen, Fernseher und sonstiges Equipment, was man sich nur vorstellen konnte.

Zwar hatten Seth und ich vereinbart, uns nichts zu schenken, setzte ich mich nun über diese Vereinbarung hinweg und suchte bei dem Onlineshop meines Vertrauens nach einem der Geräte, von denen er mir noch vor wenigen Sekunden vorgeschwärmt hatte. Innerhalb einer Minute lag es im Warenkorb, wurde als Geschenk markiert und an unsere Kanzlei versandt. Seth würde noch bis morgen mittag die Stellung halten und dann zu seiner Familie fahren. Wer weiß, wenn der Expreßversand das hielt was er versprach, dann hielt er noch rechtzeitig vor dem Fest das neue Schmuckstück in seinen Armen.

Grinsend verzog ich mich zurück in meine Räumlichkeiten. Ich spielte gerne Weihnachtself. Wenn mir jemals der wahre Santa Claus über den Weg laufen sollte, hoffte ich auf ein Jobangebot. Ich war prädestiniert für diese Aufgaben. Zu gerne beschenkte ich meine Familie und meine Lieben. Weihnachten war für mich der Höhepunkt des Jahres. Alle Cullens kamen in Chicago zusammen, füllten das geräumige Haus meiner Eltern, speisten, tranken, feierten, erzählten sich wild durcheinander was sie bewegte und freuten sich über die Geschenke. Allein bei dem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich ließ mich auf meinen bequemen Stuhl sinken und nahm mir den verbliebenen Stapel vor. Erst die Arbeit dann das Vergnügen.

Das Signieren dauerte eine kleine Ewigkeit, aber ich schaffte es den Berg pünktlich zu Angelas Rückkehr abzuarbeiten. Insgeheim bemitleidete ich sie bereits, daß sie die Arbeit mit dem Frankieren und Eintüten hatte. Schmunzelnd kehrte sie zu ihrem Arbeitsplatz zurück und warf mir den Schlüssel zu. Seit ich meinen neuen Wagen hatte, hatte sie sich in das Schmuckstück verliebt. Daß sie ein Autonarr war, hatte ich zuvor nie bemerkt. Ihr genaugenommen noch nicht mal zugetraut. Angela wirkte auf die meisten mit ihrer akkurat zurückgekämmten Hochsteckfrisur, der schwarz umrandeten Brille und ihrer tadellosen Kleidung eher wie eine graue Maus. Aber das Äußere täuschte. Wenn man hinter ihrer Fassade blickte, blitzten immer wieder interessante Facetten auf.

Ich verabschiedete mich von Seth, nahm meinen dunklen Mantel und griff nach meiner Aktentasche. Zuletzt umarmte ich Angela und wünschte ihr schöne Weihnachten, bevor ich mich in die Tiefgarage zu meinem Aston aufmachte. Analog zu den Bond-Filmen hatte ich mein Vehikel liebevoll James getauft. Mit den Fingerspitzen fuhr ich über den schwarzen Lack der Motorhaube und versicherte mich, daß meine Sekretärin alle Geschenke in dem überschaubaren Kofferraum deponiert hatte. Gewissenhaft zählte ich durch und ordnete sie den Namen meiner Familie zu. Alles da. Dann konnte es losgehen. Chicago ich komme.

Eine Stunde später stand ich in einem fetten Stau und fluchte farbenfroh vor mich hin. Wie zum Teufel hatte es Angela in Rekordzeit durch diese verdammte Stadt geschafft? Verfügte sie über Geheimwissen potentieller Schleichwege? Hatte sie einen verborgenen Hebel in meinem Wagen gefunden, um ihn unsichtbar werden zu lassen und in einen Helikopter zu verwandeln? Ich war versucht, danach Ausschau zu halten.

Die Zeit rannte und arbeitete fies vor sich hingrinsend gegen mich. Im Schneckentempo rollte die Blechkarawane Millimeter für Millimeter vorwärts. Es war zum Mäuse melken und Haare raufen. Das Letzte wollte ich tunlichst vermeiden. Ich hatte eine halbe Stunde, wie jeden Morgen, im Bad verbracht, um meine eigenwillige Mähne zu bändigen, damit sie zu einem seriösen Anwalt paßte.

Mit jeder Minute wurde ich nervöser. Der Zug würde nicht auf mich warten. Ein neues Ticket war mit Sicherheit nur noch auf dem Schwarzmarkt – wenn überhaupt – zu bekommen. Verdammt, ich mußte zum Bahnhof. Kurz entschlossen setzte ich den Blinker, quälte mich die folgenden Minuten auf die rechte Seite des Staus und scherte in die nächst beste Seitenstraße aus. Mit den Fingern trommelte ich nervös auf meinem Lenkrad herum und suchte einen anderen Weg, doch die Straßen waren alle verstopft und schließlich parkte ich frustriert in einer Parklücke, die glücklicherweise direkt vor mir frei wurde.

Dann halt zu Fuß.

Ich eilte zu meinem Kofferraum, zerrte mein Gepäck heraus und begann die Geschenke darin zu verstauen. Als ich ihn schließen wollte, klaffte ein großer Spalt. Fassungslos starrte ich ihn an. Der wollte mich ärgern, oder? Kurzentschlossen griff ich mir einige meiner Klamotten, warf sie achtlos in James und versuchte erneut mein Glück. Mit der Kombination aus Hartnäckigkeit, gutem Zureden und einem Hauch roher Gewalt schloß sich der Koffer. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, schnappte mir meine Aktentasche, betätigte die automatische Verriegelung und stellte das schwarze Hartschalenmonster auf die Rollen.

Im Stechschritt eilte ich Richtung Bahnhof. Unterwegs richtete ich eine Bestellung ans Universum, ein Gebet an Gott und zur Sicherheit auch noch an die drei Weihnachtsgeister, damit ich noch rechtzeitig auf das Bahngleis ankam. Bei meinem Glück fuhr mir der Zug bestimmt direkt vor der Nase fort.

Auf den Bürgersteigen herrschte emsiges Treiben, doch im Slalom kam ich recht gut durch, nun, wenn ich ehrlich war, glich es wohl doch eher einem Eiertanz. Aber, hey, es war effektiv und immerhin erreichte ich nach knapp zehn Minuten die riesigen Hallen des Hauptbahnhofes. Menschenmengen wuselten durcheinander, während ich der dumpfen Durchsage lauschte, die ich nur mit Mühe und Not und Einsatz einer gehörigen Portion Phantasie verstand.

„…Gleis vierzehn: Letzter Aufruf für den California Zephyr. Abfahrt in zwei Minuten. Gleis fünfzehn fährt ein...“

Mein Herz schlug mir am Hals und drohte rauszuhüpfen. Sofort sprintete ich los, denn das würde verflucht knapp werden. Ich nuschelte tausend Entschuldigungen, während ich versuchte, keine kleinen Kinder und alte Großmütter umzurennen, die sich mir todesmutig in meinen Weg stellten. Panisch eilte ich voran und dann kam das Objekt meiner Begierde in mein Blickfeld. Der Zug stand noch und die Türen waren geöffnet. Ich eilte durch den Hühnerhaufen, direkt auf eine der offenen Türen zu, als ich von einem Klotz von Kerl angerempelt wurde. Der Aufprall war so heftig, daß ich taumelte und meine Aktentasche zu Boden fiel. Mit einem Knall öffnete sie sich und unzählige Papiere flatterten heraus.

„Fuck!“, stieß ich hervor und sank auf die Knie.

Hektisch sammelte ich die wild verteilten Blätter auf und rettete sie vor so manchem Fußabdruck. Keine Ahnung, warum mir immer wieder so ein Mist passierte. Als ich endlich alles verstaut hatte, riß ich meine Sachen an mich und rannte auf die offene Schotte zu.

„…Gleis vierzehn: California Zephyr, Ziel Chicago. Bitte zurückbleiben, die Türen schließen sich...“

Ich ignorierte die Warnung, sprang in den Zug, zerrte mein Hab und Gut mit mir und sah zu, wie sich nur eine Sekunde später der Zugang schloß und verriegelte. Mein Hinterkopf lehnte an die Wand und ich sah hoch. Es dauerte einen Moment bis ich begriff, daß ich es tatsächlich im letzten Moment geschafft hatte. Ich fühlte mich wie einer dieser Jump and Run Figuren, die von Emmett in seinen Spielen auf den letzten Drücker zu ihrem Ziel dirigiert wurden. Während mein Bruder es genoß, es spannend zu machen, hatte ich immer mitgefiebert und war stets tausend Tode beim zusehen gestorben. Egal, ich war hier, der Zug fuhr und brachte mich zu meinen Lieben. Nur das zählte.

Etliche Fahrgäste wuselten durch die Gänge, suchten ihre Plätze oder ihre Partner. Ich schob mich an ihnen vorbei und steuerte das gebuchte Abteil an. Die vierstellige Nummer kannte ich auswendig, denn sie war identisch mit dem Geburtstag meiner Schwägerin Rosalie. In der Vergangenheit hatte ich es mir angewöhnt solche Eselsbrücken zu basteln und was sollte ich sagen, das System funktionierte. Ich erreichte meine gebuchte Unterkunft, als eine Blondine auf mich zusteuerte. Ich versuchte ihr auszuweichen, doch schlußendlich rempelte ich sie trotzdem an. Oder sie mich? Sicherheitshalber richtete ich eine Entschuldigung an sie.

Die Frau schenkte mir ein süßes Grinsen und eilte weiter. Ja, Freundlichkeit machte sich bezahlt. Ich sah ihr hinterher, während ich die Räumlichkeiten betrat… und stolperte über ein Hindernis. Erschrocken klammerte ich mich aus purem Reflex an dem Türrahmen fest und drückte gleichzeitig den Aktenkoffer an mich, damit er sich nicht schon wieder entleeren konnte. Ich sah auf das Gepäck, das schlampig mitten im Weg geparkt worden war, um mich zu attackieren. Eine brünette Frau, nur wenig jünger als ich, räumte ihn auf die Seite und musterte mich neugierig. Sie mußte mich für einen Idioten halten. Welch grandioser Auftritt. Herzlichen Glückwunsch, Edward.

„Entschuldigung“, war alles was ich nuscheln konnte, dabei traf mich genaugenommen keine Schuld.

Hinter mir schlossen sich die Schotten und peinliches Schweigen machte sich zwischen uns breit. Ich beschloß, mich erst mal aus meinem Mantel zu schälen, denn langsam wurde es echt heiß. Gesagt getan. Ich hing ihn an die Garderobe, doch da kam schon der nächste Anschlag.

„Das ist mein Abteil, Mister“, grollte sie hervor.

Ich wandte mich zu meiner mutmaßlichen Mitreisenden um. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber bestimmt nicht eine dermaßen verstimmte Miene. Diese Lady war mächtig sauer und ich hatte keinen Schimmer warum. Kurzentschlossen entschied ich mich, weiterhin freundlich zu bleiben. Normalerweise besänftigte das aufgebrachte Menschen in meinem Umfeld. Wahrscheinlich war sie nur sauer, daß ich ihre Sachen über den Haufen gerannt hatte. Ich setzte mein bestes, entschuldigendes Lächeln auf und streckte ihr die Hand entgegen.

„Cullen. Edward Cullen.“

Oh, ich stand auf all die 007-Filme und liebte es, mich auf diese Art vorzustellen. Ich lächelte noch etwas breiter.

„Ich nehme an, wir teilen uns dieses Abteil?“

Sprachlos starrte sie mich an. Sie rang sichtlich um ihre Fassung. Ja, die Damenwelt konnte ich für gewöhnlich mit dem Cullen-Strahlen einlullen. Ein Wimpernschlag, ein schiefes Grinsen… Ich besaß eine verdammt gute Mimik und die guten Gene taten ihr übriges. Damit konnte ich immer punkten. In Null Komma Nichts würde ich sie besänftigen.

„Swan und ich teile diese Räumlichkeiten nicht“, gab sie mürrisch von sich.

Meine Hand ignorierend, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. Perplex stand ich da, meine Augenbrauen hoben sich eine Nuance. Eine solche Reaktion hatte ich noch nie hervorgerufen. Diese Frau schaffte es tatsächlich, daß ich an mir zweifelte. Zögerlich holte ich aus der Innentasche meines Nadelstreifenanzugs das Bahnticket hervor, umrundete meinen Koffer und ging zurück auf den Gang. Fein säuberlich entfaltete ich das Papier, verglich es gewissenhaft mit der Nummer des Abteils, versicherte mich nochmals und ging zurück. Einen triumphalen Gesichtsausdruck konnte ich mir nicht verkneifen.

„Nun, ich befinde mich im richtigen Abteil“, rieb ich ihr mit meiner besten Samtstimme unter die Nase.

Sicherheitshalber hielt ich ihr meinen Fahrschein hin, damit sie sich mit eigenen Augen überzeugen konnte. Sie zog ihrerseits ihr Ticket hervor und verglich die Zahlen. Ich konnte ihr dabei zusehen, wie die Blässe um ihre Nase zunahm. Vielleicht hatte sie sich ja vertan?

„Da muß ein Fehler vorliegen“, hauchte sie und gab mir den Wisch zurück. „Ich habe das Abteil komplett gebucht.“

„Scheinbar nicht“, erwiderte ich und konnte mir den süffisanten Tonfall nicht gänzlich verkneifen.

Gemächlich machte ich mich daran, meinen Koffer zu verstauen. Auch wenn es dieser Frau nicht gefiel ihre Bleibe mit mir zu teilen, so konnte sie nichts dagegen unternehmen. Ich hatte das gleiche Recht wie sie hier zu sein. Sie würde sich schon an meine Anwesenheit gewöhnen. Immerhin war sie zeitlich begrenzt. Sie würde dies bestimmt in den nächsten Minuten realisieren und sich damit abfinden. Mit einer engelsgleichen Gemütsruhe begann ich mein Jackett aufzuknöpfen. Zufrieden beobachtete ich aus dem Augenwinkel, wie sie mich ansah und sich langsam bewußt wurde, daß sie mich nicht loswurde. Ein breites Grinsen konnte ich mir beim besten Willen nicht verkneifen, als ich mich ihr gegenüber setzte und demonstrativ zu ihr herüber blinzelte.

Ihr fehlten sichtlich die Worte und ich mußte stark an mir halten, um nicht laut loszulachen. Wie in einem schlechten Film stemmte sie ihre Hände in die Hüfte und starrte mich fassungslos an. Bevor sie etwas sagen konnte, betrat eine Schaffnerin unsere Räumlichkeiten.

„Guten Tag, ihre Fahrscheine bitte“, ertönte ihre freundliche, routinierte Stimme und ließ ihren Blick zwischen uns schweifen.

Lange mußte ich nicht warten, da begann sie der Frau zu erklären, daß sie in meiner Anwesenheit ein Problem sah. Die Gute hörte sich alles in einer beachtenswerten Ruhe an, während ich siegessicher vor mich hinlächelte. Kein Mensch der Welt würde mich unter diesen Gegebenheiten aus dem Abteil vertreiben. Die Beweislage war eindeutig und das Urteil stand unwiderruflich fest: Vierundvierzig Stunden Fahrt von Los Angeles nach Chicago zu zweit. Sie und ich. Einspruch zwecklos. Die Zugbegleiterin forderte meinen Fahrschein, den ich ihr bereitwillig aushändigte, und als Zugabe schenkte ich ihr noch ein extra freundliches Lächeln. Gewissenhaft prüfte sie ihn, dann gab sie ihn mir zurück.

„Miss, sie hätten hier noch ein Häkchen setzen müssen, dann wäre es ihr alleiniges Reich gewesen. So müssen sie es wohl oder übel teilen, denn der Zug ist restlos ausgebucht. Aber, ich nehme an, es gibt schlimmere Gesellschaft, nicht wahr?“

Sie zwinkert der Querulantin zu und lächelte mich warmherzig an. Meine Mitfahrerin fuhr sich genervt durch ihre langen, braunen Haare, als ihre letzte Hoffnung auf den Korridor hinaus trat und uns wieder alleine ließ. Aufmerksam musterte ich sie. Es sah aus, als wolle sie entweder gleich laut losschreien oder einen Nervenzusammenbruch erleiden. Himmel, so schlimm war es doch nun auch wieder nicht, die fahrenden vier Wände mit mir zu teilen, oder? Langsam erhob ich mich und versuchte sie mit einem sanften Schmunzeln zu beruhigen.

„Fein. Wenn das geklärt wäre, können wir vielleicht noch mal von vorne anfangen. Ich heiße Edward Cullen.“

Unerschrocken streckte ich ihr die Hand erneut hin. Jeder verdiente eine zweite Chance, eine Dame, die außerdem noch dermaßen gut aussah, auch eine dritte. Im Übrigen lag mir nichts an einem Streit. Ich wußte denkbar besseres mit meiner Zeit anzustellen. Sie zögerte, doch schließlich seufzte sie und ergriff meine Hand, um sie zu schütteln. Ihre Finger waren zierlich und warm. Es fühlte sich gut an, sie in meiner zu fühlen.

„Isabella Swan“, sagte sie resigniert und entzog sich mir wieder.

Ihr Name gefiel mir. Er paßte zu ihr. Wenn mich nicht alles täuschte, dann bedeutete ihr Name göttliche Schönheit. Verwunderlich, was man sich bei der Namenssuche für seine Nichte nicht alles merkte. Rosalie und Emmett hatten sich schließlich für einen anderen entschieden, aber der Zufall gefiel mir, daß mir eine Frau mit ebendiesem Namen begegnete.

„Ich verspreche, du wirst mich kaum bemerken. Ich bin ein ruhiger Zeitgenosse.“

Normalerweise preschte ich nicht so schnell voran, aber es fühlte sich richtig an. Und wenn mir meine Mutter eins beigebracht hatte, dann auf meine Intuition und mein Herz zu hören. Immerhin waren wir altersmäßig kaum auseinander. Ich sah darin kein Problem. Sie hingegen biß sich sichtlich ungehalten auf die Unterlippe.

„Und ich kann mich nützlich machen. Soll ich deinen Koffer verstauen?“ bot ich ihr an, um ihr meine Hilfe und mein Entgegenkommen zu signalisieren.

Wäre doch gelacht, wenn ich diesen Eisklotz nicht ein wenig zum schmelzen bekam. Dem Cullencharme konnte kaum jemand länger widerstehen. Kopfschüttelnd wehrte sie meinen Vorschlag ab, schob ihr Gepäck in die Nische unter der Garderobe und holte einen Laptop hervor. Bei diesem Weib wäre selbst der Eisberg, der die Titanic zum Sinken brachte, von ihrer Frostigkeit neidisch geworden. Aber gut, leben und leben lassen. Wenn sie glaubte, das sei ein angenehmes Miteinander, dann wollte ich sie im Glauben lassen. Achselzuckend akzeptierte ich es, zog mein Jackett aus, hing es über die Lehne meines Sitzes und nahm einmal mehr Platz. Genüßlich streckte ich meine Beine aus.

Mit einer fließenden Bewegung setzte sie sich auf den Platz gegenüber, klappte ihren Laptop auf und überschlug die Beine, wobei sie mich hart ans Schienbein trat. Der Schmerz ließ mich die Zähne zusammenbeißen. Für eine Millisekunde dachte ich, daß sei Absicht, doch dann entschied ich mich im Zweifel für den Angeklagten, zog meine Beine ein und murmelte eine Entschuldigung. Einem bellenden Hund gab man einen Knochen mehr – oder wie ging das Sprichwort noch mal? Egal, ich setzte mich gerade hin und bot ihr keine weitere Angriffsfläche.

„Sorry“, murmelte sie.

Aha, die Dame konnte auch anders. Es bestand also Hoffnung auf einen Waffenstillstand. Isabella begann einen Block aufzuschlagen und dann die Tastatur zu drangsalieren. Fasziniert beobachtete ich sie. Sie schien in eine andere Welt abzutauchen. Was auch immer auf dem Bildschirm stand, es fesselte ihren Blick. Ab und zu saugte sie ihre Unterlippe zwischen die Zähne und runzelte ihre Stirn, als überlege sie angestrengt. Dieser neue Anblick war deutlich sanfter als das Bild, das sie mir zuvor gezeigt hatte. Es gefiel mir erheblich besser, als dieser grimmige Drache, den sie zuvor gemimt hatte.

„DumDumDaaaDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDumDumDaaa.“

Erschrocken zuckte ich aus meinen Gedanken zusammen, während ihr Kopf hochschoß und mein Handy lärmend in den Raum plärrte. Desorientiert sprang ich auf und überlegte wild um mich suchend, wo ich es zuletzt gelassen hatte. Solch häßliche Handyklingeltöne gehörten definitiv verboten. Wenn mir jemals der Erfinder dieses verdammten Songs in die Finger fiel, würde ich den geballten Frust der vergangenen 363 Leidenstage an ihm hemmungslos ablassen. Echt, der konnte sich warm anziehen, wenn er mir je begegnen sollte. Das elende DumDumDaaaDubi-Scheiß-Geträller klang als malträtiere jemand einen kastrierten Frosch, der fünf Nuancen zu hoch trällerte. Nachdem das Gequäke in die zweite Runde gegangen war, fand ich es endlich in meinem Mantel.

„Edward Cullen“, stieß ich hervor.

Verlegen setzte ich mich zurück an den Tisch.

„Hi, Edward. Du mußt mir helfen. Ehrlich, du bist meine letzte Rettung. Ich habe noch nichts für Em. Wir wollten uns dieses Jahr nichts schenken und ich blöde Pute bin darauf reingefallen.“

„Was sagst du? Kein Geschenk?“

Seit wann waren sie denn auf dem Trip? Normalerweise lieferten sich die beiden Materialschlachten! Und warum Pute? Meine Schwägerin hatte ganz bestimmt mit einem solchen Tier keine Ähnlichkeit.

„Ja, verdammt noch mal! Ich konnte doch nicht ahnen, daß er sich für mich in Unkosten stürzt. Himmel, dieser Ring ist nicht von dieser Welt.“

„Rose, beruhige dich“

„Mich beruhigen? Du hast diesen Klunker nicht gesehen. Em muß von Sinnen gewesen sein, als er ihn für mich gekauft hat. Zum Glück habe ich die Schachtel beim Aufräumen gefunden, sonst wäre das verdammt unangenehm an Weihnachten geworden, mit leeren Händen dazustehen. Ich meine, verdammt, ich wollte ihm auch etwas schenken, ist ja klar, oder? Ich meine, wenn man sagt, man will nichts, dann heißt das nicht zwangsläufig, daß man nichts bekommt. Ok, ich weiche ab. Also Em hatte ein Auge auf dieses Autoradio geworfen, ich wollte es heute kaufen, aber er kam gerade damit heim. Verflucht, Edward, weißt du was das heißt? Ich habe nichts für ihn!“

„Du hast doch bisher immer das Passende gefunden“, versuchte ich sie zu besänftigen.

„Ja, verdammt, aber da hatte ich auch noch Wochen Zeit. Wochen, Edward! Verstehst du? Die Uhr tickt und ich habe keinen Plan, was ich besorgen könnte“, jammerte sie mir mit ständig schriller werdender Stimme vor.

„Keine Panik, ja? Ich überleg mir was.“

„Hilf mir, Edward“, flehte sie mit Nachdruck.

„Jaaa, ich melde mich, sobald mir was einfällt.“

Ich klappte das Handy zu und legte es auf den Tisch. Wenn ich das Gespräch nicht abrupt beendet hätte, würde ich noch morgen mit meiner Schwägerin telefonieren. Sie konnte sich in Dinge reinsteigern, die man nicht für möglich hielt und wenn ich ihr helfen sollte, dann mußte ich mich konzentrieren.

Der DumDumDaaaDubi-Dreck erklang von neuem. Gott, wann hatte ich den Scheiß endlich hinter mir? Ich zählte die Stunden!

Mein Handy tobte vor sich hin. Für einen Moment überlegte ich Rose zu ignorieren, aber dann schnappte ich es mir dennoch und ging dran.

„Edward Cullen“, meldete ich mich aus Gewohnheit mit meinem vollen Namen.

„Edwardichbrauchdich! HastduZeit? Undselbstwennnichtistmiregal!“

An der Stimme erkannte ich meine Schwester, aber ich verstand kein Wort so schnell ratterte sie sie los.

„Hey, Alice, bitte sprich ein wenig langsamer.“

„Verdammtichredenichtschnell. IchleidewieeinHundundbrauchdichzumredenverflucht!“

Gott, wie konnte eine kleine Person wie Alice nur dermaßen schnell reden? Diesmal hatte ich den einen oder anderen Fetzen zwar identifiziert, aber so war kein Gespräch möglich. Was war nur mit den Frauen in unserer Familie los? Ein seltsamer Virus, der in Chicago grassierte und sie alle aufscheuchte? Weibliche Zombis, die das heilige und besinnliche Weihnachten zu Sturz bringen wollen? Dem mußte ich mich todesmutig stellen.

„Nein, bitte, ehrlich, ich versteh dich kaum.“

Ich hörte sie tief durchatmen. Zweimal, dreimal. Und dann schluchzte sie auf.

„Jasper betrügt mich!“ stieß sie voller Verzweiflung hervor.

„Oh.“

Ich sollte mehr sagen, das war mir klar, aber da sprach sie schon weiter.

„Es gibt keinen Zweifel. Ich habe ihn… sie gesehen. Das hätte ich ihm niemals zugetraut. Verdammt, er ist doch mein Jasper. Nein, stop. Korrigier mich, Edward. Er war mein Jasper. Ich will ihn nie wieder sehen!“

„Wirklich?“

Meine Schwester betete ihren Freund an. Sie waren seit drei Jahren das Traumpaar schlechthin. Alice wurde von seiner Familie vergöttert und Jasper hatten wir quasi schon als Bruder adoptiert. Er war einer von uns.

„Wa-ha-rumha-ha-hat-er-da-ha-ss-ge-he-tan? IchverstehdieWeltnichtmehr. Wirwarendochglü-hü-hü-hü-glich!“

Jetzt begann sie auch noch zu weinen. Jedes Mal wenn sie das tat, schlich sich ein Stottern in ihre Stimme. So war das immer. Einmal mehr hatte ich nur die Hälfte verstanden.

„Nein, langsamer, bitte… Ich versteh nur Bahnhof!“

Sie versuchte sich an der Atemübung wie schon zuvor.

„Er. Hat. Ihr. Schmuck. Gekauft!“, bemühte sie sich langsam zu sprechen.

„Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Nennst du mich eine Lügnerin? Ich bin deine Schwester! Du mußt mir glauben! Er geht fremd!“

„Bist du sicher?“

„Er glaubt mir nicht. Er glau-hau-btmi-hierein-fa-hachnichtde-her-eigenenSchwe-hesternicht!“, jammerte sie mir an das Ohr.

„Hey, bitte, nicht auch noch weinen“, flehte ich sie an.

Wenn ich alles konnte, dann nur nicht meine kleine Schwester leiden sehen – oder hören. Das ging über meine Kräfte hinaus.

„Alice, Kleines…“

Ich überlegte mir meine Worte ganz genau. Immerhin hatte ich eine Zuhörerin. Isabella tat zwar beschäftigt und sah in ihren Laptop, aber das Tippen hatte sie längst eingestellt.

„Das renkt sich schon wieder ein.“

„NEIHEINNNN. E-HE-BENNICHT!“

„Nein, tut es nicht?“

Sie wimmert vor sich hin und ich konnte mir lebhaft vorstellen wie die Tränen über ihre Wangen liefen und ihre Unterlippe bebte. Neben dem tiefem Mitgefühl für Alice sollte ich Wut auf Jasper empfinden, doch mein Gespür sagte mir, daß er das ihm vorgeworfene nicht getan hatte. Meine Menschenkenntnis war gut und außerdem hatte Emmett ihm damals beim ersten Zusammentreffen klipp und klar gesagt, daß er ihm alle Rippen brechen würde, wenn er unser Nesthäkchen unglücklich machen würde.

„Hey, ich überleg mir was.“

„Ehrlich? Aber du bist nicht hier! Was kannst du schon ausrichten? Ich könnte…“

„Nein, laß mich mal machen“, fiel ich ihr ins Wort. „Da kann es sich doch nur um ein Mißverständnis handeln.“

„Er glaubt mir nicht. Er glau-hau-btmi-hierein-fachnicht.“

Gott, wenn ich sie nur nicht so lieben würde, hätte ich sie schon längst in einer Babyklappe ausgesetzt. Oder bei Ebay versteigert. Seit sie ein Baby war, hielt sie uns auf Trab.

„Alice, bitte, beruhig dich… Atme mal tief durch“, bat ich sanft.

Immerhin gehorchte sie meinen Worten. Ich wartete einige Sekunden bis ich mir sicher sein konnte, daß sie nicht zurück in die Schnappatmung verfiel.

„Na, bitte, geht doch.“

„Edward, ich bin ernsthaft verzweifelt. Es ist Weihnachten! Wie konnte der Schuft mir das antun?“

„Okay, ich schau, was ich aus ihm herausbekommen kann.“

„Das würdest du machen? Ernsthaft? Ich weiß schon, warum du mein Lieblingsbruder bist.“

„Klar, bin ich doch immer.“

Von allen hatte ich zu ihr das innigste Verhältnis. Hatte ich schon immer besessen. Von uns vier waren wir die beiden jüngsten. Das schweißte zusammen.

„Ich hab dich unendlich lieb.“

„Hab dich auch lieb. Kopf hoch. Ich melde mich.“

Das Gespräch wurde beendet und ich rieb mir nachdenklich über das Kinn. All diese Informationen mußte ich erst mal setzen lassen. Und dann mußte eine Strategie her. Jasper hatte mit Sicherheit nichts ausgefressen. Das war nicht seine Art. Aber wenn doch?

„DumDumDaaaDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubi...“

Der Handysound war noch mal mein Untergang. Zudem war er so schrecklich peinlich vor anderen. Ich spürte regelrecht wie mir das Blut in die Wangen kroch, als mich Isabella über ihren Laptop hinweg ansah.

„Edward Cullen“, meldete ich mich.

„Hey, du verkrümelst dich in den Urlaub und hinterläßt mir diesen Penner von Vorstadtsiedlung? Das ist nicht die feine Art.“

Rasch ging ich meine Mandanten durch. Die meisten kamen aus dem näheren Umfeld, der City. Wer blieb übrig? Der Nachbarschaftsstreit war abgeschlossen. Ich verstand die Welt nicht mehr.

„Seth, ich hab die Akten kopiert und abgelegt. Der Fall ist doch geschlossen, oder?“

„Nein, falsch. Er kocht gerade hoch.“

„Oh, ist er nicht?“ war alles, was ich hervorbekam.

„Ja. Der Typ fühlt sich tätlich von der blinkenden Rentierarmada seines Nachbars attackiert. Und die dreißigtausend Lampen an der Garage blenden ihn im Wohnzimmer. Außerdem ist er sich sicher, Frosty, der Schneemann auf dem Dach, späht sein Schlafzimmer mit einer Kamera aus.“

„Ähm, ehrlich?“

Ich wußte nicht, ob ich lachen oder aufstöhnen sollte. Hatten wir nicht eine friedliche Lösung vereinbart? Eine, mit der alle Beteiligten leben konnten?

„Er klagt auf Unterlassung, Schadensersatz für sein in Gefahr stehendes Fest und auf Schmerzensgeld, weil er nur noch mit Sonnenbrille fernsehen kann, da ansonsten sein Augenlicht in Gefahr ist.“

„Der Mandant hat was anderes gesagt.“

Ich wollte Seth aufklären, daß er seine Anklage zurückgezogen hatte, doch Speedy machte sich gerade erst warm. Er und Alice sollten mal ein Telefonat führen, ich würde zu gerne wissen, wer über wen verbal triumphierte. Ich ließ ihn ohne Punkt und Komma reden, bis er irgendwann genötigt war Luft zu holen.

„Ja, die ganze Zeit“, antwortete ich auf eine seiner letzten Fragen. „Wie er hieß? Laß mich mal überlegen.“

„Banner?“

„Banner, ja, genau, der war es“, bestätigte ich.

„Edward, du bist der größte Schussel auf der Welt.“

„Was soll das heißen, ich bin schusselig?“ hakte ich nach.

Ok, gelegentlich passierten mir dämliche Dinge, aber das waren echt saublöde Zufälle. Ich rief sie nicht absichtlich hervor.

„Hättest du deinen AB nicht anstellen können? Jetzt will er noch ein Schriftstück, daß er seinem Nachbarn um die Ohren hauen will.“

„Okay, ja, nach den Feiertagen.“

„Pfff. Er will es sofort. Ich setz was auf, aber du bringst den Kerl unter Kontrolle. Noch mal gebe ich mir das nicht. Der Fuzzi ist durchgeknallt. Ich weiß schon, warum ich was gegen Lehrer habe. Um Himmels Willen kümmere dich um ihn.“

„Ja, Seth, mach ich“, besänftigte ich ihn.

„Ok, das ist ein Wort. Danach hast du dir Weihnachten wahrhaft verdient. Feier schön.“

„Ich wünsche dir auch ein schönes Fest. Bye.“

Mein Gegenüber zog ihre hübschen Augenbrauen hoch.

„Wie war das? Du wirst mich kaum bemerken?“ neckte mich Isabella mit einem bissigen und sehr wohl hörbarem ironischen Tonfall.

Um dem ganzen die Krone aufzusetzen und aus der Szene einen wahren Slapstick zu machen, röhrte der verdammte Frosch ein weiteres Mal aus den winzigen Lautsprechern. Entschuldigend zog ich meine Schultern nach oben, zu mehr blieb mir keine Zeit, und hob das Handy ans Ohr.

„Edward Cullen.“

Ich hörte meine Schwester schluchzen. Mir brach das Herz.

„Oh, Alice.“

„Hastduihnschongesprochen? Wassagter?“

Ich konnte nur erahnen, was sie von mir wissen wollte, denn ich hatte ernut nur die Hälfte verstanden. Die Zombievision schob sich vor mein inneres Auge. Rose und Alice waren erst der Anfang, wer konnte schon wissen auf welchem Trip sich meine Mutter befand? War sie ebenfalls von der mysteriösen Seuche befallen? Hatte der Braten sie angefallen, oder sie ihn? Langsam bekam ich Angst vor meiner eigenen Phantasie.

„Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen.“

„Nochnichtdazugekommen?“ I-ichbi-hind-hiernichtwi-hichtig!“

Langsam gewöhnte ich mich an ihr Kauderwelsch.

„Hey, natürlich bist du mir wichtig.“

„Nein! Eben nicht!“

„Hör doch.“

Sie gab einen jämmerlichen Heullaut von sich, der mir durch Mark und Bein ging.

„Nein, bitte, nicht weinen“, flehte ich sie an. „Ich kümmere mich gleich darum.“

Alice wimmerte.

„Ehrlich? Versprochen?“

Gott, sie konnte einen wirklich wahnsinnig machen.

„Ja, versprochen“, beteuerte ich sanft.

„Lieb dich!“, bekundete sie und schneuzte in ein Taschentuch.

„Bis dann“, murmelte ich und ließ das Handy sinken.

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Was ein Chaos. Fehlte nur noch Rosalie, die fragte, ob mir schon eine Idee für meinen Bruder bekommen sei. Ich könnte ihr Frosty, den Schneemann, empfehlen. Oder die dreißigtausend Lämpchen umfassende Beleuchtung, damit sie ihre Nachbarn in den Wahnsinn treiben konnten. Sicherlich hätte Emmett an einem solchen Schabernack seinen Spaß. Mein Blick fiel auf Isabella, die mich mit einem seltsam analytischen Blick musterte. Ich fühlte mich zu einer Erklärung genötigt.

„Ähm, also normalerweise geht mein Handy nicht so häufig, ehrlich.“

Ich fuhr mir erneut durch die Mähne, während ich eine plausible Rechtfertigung für den Telefonterror suchte. Das elende Reptil machte mir einen Strich durch die Rechnung und sang lautstark seinen nervenzerfetzenden Mist. Das durfte doch nicht wahr sein. Hitze eroberte meine Wangen. Sie glühten regelrecht.

„Edward Cullen.“

„Ho, ho, ho, mein Sohn. Klappt alles mit dem Flug? Bist du bereits unterwegs zu uns?”

Der hatte mir noch zu meinem Glück gefehlt. Ich hatte inständig gehofft, daß er mich nicht nach meinem Transportmittel fragen würde. Oder ich mir wenigstens eine gute Ausrede zurechtlegen konnte. Leider hatte ich dazu noch keine Zeit gehabt.

„Hey, Dad, ja ich bin auf dem Weg zu euch, der Zug ist seit einigen Minuten unterwegs.“

Das irritierte Schweigen war regelrecht greifbar. Ich wappnete mich innerlich vor den nächsten Worten.

„Flugzeug, oder?“

Ich unterdrückte ein Seufzen.

„Nein, Zug nicht Flugzeug.“

Carlisle Cullen war ein besonnener Mann, gutmütig und herzensgut. Allerdings glaubte er in diesem Moment, daß sein Drittgeborener den Verstand verloren hatte und sagte es mir auch direkt und überdeutlich.

„Nein, ich bin nicht des Wahnsinns. Ich hab keinen Flug mehr nach Chicago buchen können.“

Gott, mir mußte schleunigst etwas einfallen, damit ich ihn nicht mit dem verschmähten Geschenk verletzte.

„Wir haben dir extra eins zukommen lassen. Hast du unser Schreiben nicht bekommen?“

„Wie meinst du das?“ stellte ich mich erst mal dumm.

„Das Flugticket.“

„Was für ein Flugticket?“

Unwissenheit. Ja, wenn nichts mehr ging, den Unschuldigen spielen. Funktionierte meist ausgezeichnet.

„Esme und ich haben es dir schon vor knapp zwei Wochen geschickt.“

„Oh, wirklich?“ heuchelte ich und bemühte mich um einem verwunderten Tonfall.

Es fiel mir nicht leicht, ihn anzulügen und ich hätte mir gerne etwas Besseres einfallen lassen als die Vogel-Strauß-Taktik, aber dazu war es zu spät. Angriff war die beste Verteidigung!

„Dad, ich befürchte, dein Brief mit dem Flugticket muß in die Werbung hineingerutscht sein und die habe ich unbesehen weggeworfen.“

Er stöhnte auf.

„Nicht dein Ernst, oder, Edward?“

„Ja, das ist dumm gelaufen“, gab ich bedauernd von mir.

„Hätte es mir denken können. So etwas kann nur dir passieren. Immer diese seltsamen Dinge, die dir widerfahren. Das ist doch nicht mehr normal. Weggeworfen… Unbesehen… Macht man dem Jungen einmal ein Geschenk.“

„Was soll das heißen, das kann nur mir passieren? Emmett macht auch manchmal Mist…“

„Stop! Einigen wir uns darauf, daß Emmett einigen Scheiß bewußt macht und du in ihn unabsichtlich stolperst. Ja?“

Widerspruch zwecklos, das Familienoberhaupt hatte gesprochen. Ich wollte keinen Streit mit meinem Vater.

„Okay, läßt sich nicht mehr ändern.“

Er seufzte. Diese Eigenart hatte Alice eindeutig von ihm geerbt.

„Kommst du wenigstens rechtzeitig zum Fest? Deine Mutter hibbelt bereits und zählt die Minuten.“

Das konnte ich mir gut vorstellen. Sie liebte das volle Haus mit allen Kindern und Kindeskindern. Sie alle zu beschenken, zu bekochen und mit Geborgenheit zu überschütten. Und wir liebten es, es ihr hundertfach zurückzugeben. Mal ganz zu schweigen vom 26. Dezember. An diesem Tag würde wie jedes Jahr die komplette restliche Sippe einfallen, die irgendwie mit uns verwandt war. Und wir hatten eine verdammt große Familie. Selbst Anthony würde es nicht wagen, sich um dieses Datum zu drücken. Spätestens an diesem Tag traf er immer ein.

„Ja, ich komme noch rechtzeitig zu Weihnachten heim. Freu mich schon. Bis dann, Dad. Bye.“

Isabellas Blick klebte auf mir. Sie ließ nicht von mir ab und seltsamerweise dachte ich, sie könnte mein Lügenkonstrukt durchschauen und mich verpetzen. Ich versuchte mich an einem Lächeln, das meine Tat verschleiern sollte.

„Familie. Man muß sie einfach lieben, sonst würden sie einen wahrscheinlich wahnsinnig machen.“

Sie verkniff sich einen Kommentar, nickte statt dessen und widmete sich ihrem Laptop. Gedankenversunken strich sie sich eine Strähne ihres Haares hinter das Ohr. Diese Geste fand ich süß. Überhaupt, wenn sie nicht gerade versuchte, mich mit ihren Blicken zu erdolchen, dann war sie verdammt anziehend.

„DumDumDaaaDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubi...“

Sie stöhnte gereizt auf und ich konnte es ihr noch nicht einmal verübeln. Ich war kurz davor mein Telefon aus dem Fenster zu werfen.

„Es tut mir wahnsinnig leid“, stammelte ich, riß das Handy an mich und eilte so schnell ich konnte aus dem Abteil auf den Gang hinaus.

„Edward Cullen“, meldete ich mich und wich einem Passagier aus.

„Uuuuuuuund? Hast du mit ihm gesprochen?“

Ich verdrehte die Augen. Wann zur Hölle hätte ich das tun sollen?

„Alice, Schatz, ich bin dran.“

„Also no-ho-och ni-hi-cht?“ wimmerte sie.

Beim besten Willen, aber langsam riß mir der Geduldsfaden. Kurzentschlossen rieb ich mit dem Finger über das Mikrofon meines Telefons.

„Alice? Hey, bist du noch dran?“ Rubbel und reib. „Die Verbindung ist…“ Ich kratzte mit dem Fingernagel über die Stelle. „Total schlecht. Hörst du…“

Und dann legte ich auf. Kopfschüttelnd schritt ich den Korridor entlang Richtung Zugrestaurant. Man sollte nicht glauben, daß sie einundzwanzig Jahre alt war. Ok, es war erst ihr zweiter richtiger Liebeskummer und beim ersten war es für den Schuft blutig ausgegangen. Emmett hatte keine halben Sachen gemacht. Wenn er etwas sagte, dann meinte er es ernst. Mein Bruder liebte unser kleines Chaosweib genauso wie ich, doch während ich Konflikte mit Gesetzestexten und Worten löste, ging sein Temperament gern mit ihm durch. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er mit Jasper anstellen würde, falls die Anschuldigungen wahr waren.

Oder wenn seine Tochter in die Pubertät kam und Jungs Interesse an ihr zeigten. Gott, ich sollte seinen Baseballschläger rechtzeitig verschwinden lassen und Rose daran erinnern, den Sparstrumpf auszugraben, damit sie Geld für seine Kaution im Falle eines Falles zusammen hatte.

Aber Jasper war kein Fischfutter. Er würde sich nicht einfach verprügeln lassen. Ich schüttelte erneut meinen Kopf. So weit mußte es nicht kommen. Der Angeklagte galt solange als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen war.

Mein Telefon klingelte. Ich sah auf das Display und drückte schweren Herzens Alice weg. Statt dessen begann ich meine mentale To-Do-Liste abzuarbeiten. Als aller erstes rief ich Jasper an.

„Hi! Wie geht´s?“

„Hey, Jasper…“, doch da unterbrach mich seine Stimme bereits.

„Ich bin wohl gerade beschäftigt. Sprich mir auf die Box und ich melde mich sobald ich kann. Bye.“

Ich haßte diese verdammten Anrufbeantworter, die einem vorgaukelten, der Angerufene sei am anderen Ende. Das Piepen erklang an meinem Ohr.

„Hey, Jasper, ich bin es. Edward. Ruf mich zurück sobald du das hörst. Bye.“

Immerhin konnte ich nun behaupten, daß ich in der Akte Alice/Jasper aktiv geworden war. Ich setzte meinen Weg fort und erreichte kurz darauf den Speisewagen. Die Schlange war kurz und ich bestellte mir einen Kaffee sowie einen Bagel. Etwas abseits am Fenster fand ich einen netten Platz in dem nur mäßig besuchten Wagon und stellte das Tablett vor mich. Das schwarze Gebräu schmeckte richtig gut und der Hefekringel machte tatsächlich geschmacklich etwas her. Seit meiner letzten Fahrt hatten sie definitiv die Qualität gesteigert. Während ich aß, schickte ich Alice eine SMS, daß ich Jasper auf den AB gesprochen hatte und dran blieb. Sobald ich mehr in Erfahrung bringen konnte, würde ich mich melden. Unerschrocken öffnete ich die imaginäre Akte Rosalie Cullen und widmete mich dem nächsten Fall, in dem ich meinen Bruder anrief.

„Hey, Alter!“, begrüßte er mich mit einem Lachen in seiner Stimme. „Was gibt´s?“

Bei ihm jauchzte seine dreijährige Tochter Tessa. Eigentlich hieß sie Vanessa, doch mit diesem Namen tat sie sich schwer und hatte sich selbst diese Abkürzung verpaßt. Alle nannten sie inzwischen so – ok, bis auf eine Ausnahme – und, nein, Nessie stand bei den restlichen Familienmitgliedern nicht auf der Favoritenliste ganz oben. Ich fragte mich bis heute, wie man das Monster von Loch Ness auch nur ansatzweise mit diesem kleinen, blondgelockten Engel in Verbindung bringen konnte.

„Sorry, hoffentlich hörst du mich. Ich bin gerade im Kinderzimmer, die Kleine ablenken, damit Rose ihre berühmtberüchtigten Weihnachtskekse backen kann.“

Und ich konnte mir lebhaft vorstellen, daß Rosalie in der Küche nebenbei wahnhaft im Internet eine Geschenkidee ausspähte. Wahrscheinlich trieb sie genau in diesem Moment den Familienlaptop mit zwanzig gleichzeitigen Suchanfragen in ebenso vielen Onlineshops in den Wahnsinn. In meiner Phantasie sah ich den Laptop sein Stromkabel ziehen und schreiend aus dem Haus rennen. Bei dem Bild wanderten meine Mundwinkel automatisch nach oben.

„Ich bin unterwegs. Hab den Zug genommen, wie jedes Jahr. Aber diesmal weiß es Dad. Also keine Lügen bezüglich vom Flughafen abholen oder so.“

Emmett lachte auf.

„Brüderchen, wann wirst du endlich die Höhenangst überwinden? Jeder von uns fliegt, nur du nicht. Es ist nichts dabei. Runter kommen sie alle.“

Ich schluckte hart. Ja, die Frage war nur wie. Klar, die meisten Unfälle passierten auf der Straße, nicht in der Luft, aber dennoch hatte mein Hintern gerne Bodenhaftung.

„Fühl mich so besser, das weißt du“, murmelte ich.

„Manchmal mache ich mir echt Vorwürfe. Ohne Scheiß! Hätte ich dich damals nicht fünf Stunden in meinem Baumhaus gefangen gehalten, dann hättest du vielleicht nicht diesen Spleen.“

Oh ja, ich erinnerte mich noch zu genau. Es war saukalt und ich sieben Jahre alt. Was war ich ihm auch hinterhergeschlichen? Er bezeichnete es als gerechte Strafe, als er mich da oben festsetzte, die Strickleiter mitnahm und todesmutig den Baum runterkletterte ohne selbige zu gebrauchen. Hätte mich nicht irgendwann Anthony vermißt und nach mir gesucht, hätte ich noch viel länger dort oben ausharren müssen. Mein Bruder klaute unserem ältesten einfach die Leiter unter dem Hintern weg, kletterte auf mir unbegreifliche leichtfüßige Weise nach oben und befreite mich mit einem verständnislosen Kopfschütteln. Die Sache hätte gut für mich ausgehen können, hätten mir nicht die Beine geschlottert und wäre ich nicht die letzten drei Meter gefallen. Dank dem Sturz brach ich mir das Bein, welches gegipst werden mußte. Mit einem Schaudern dachte ich daran zurück. Es war mein letzter Ausflug in luftige Höhen.

„Schon ok“, lenkte ich ein. „Ich komm klar.“

Emmett brummte etwas an mein Ohr.

„Was treibst du sonst so? Ich mein, wenn du nicht gerade meine Nichte bespaßt?“

Mein Bruder erzählte von seinem Job, daß er über die Feiertage einige Tage frei hatte und daß er sich auf den Trubel bei unseren Eltern freute. Das alles gab mir keinen Anhaltspunkt für eine Geschenkidee, die ich Rosalie mitteilen konnte. Aber was noch nicht war, konnte noch werden. Man mußte Emmett lediglich Zeit zum Plaudern geben und davon hatte ich im Moment mehr als genug.

„Mein Kumpel hat sich einen Hummer gekauft. Hammerteil. Das Monster ist ein Benzinfresser – aber geil. Natürlich als Familienkutsche chronisch ungeeignet, aber ich muß ihn demnächst überreden, ihn mich mal fahren zu lassen. Und wenn ich dir nächstes Jahr einen Besuch abstatte, will ich deinen Wagen antesten. Verstanden?“

Na bitte, mein redseliger Bruder hatte doch noch Sehnsüchte, die es zu erfüllen galt. Ich grinste in mich hinein. Hätte ich auch gleich drauf kommen können. Höher, weiter, schneller – Emmett.

„Ja, klar“, stimmte ich zu. „Solange du mein Baby unbeschadet ablieferst, darfst du ihn probefahren. Hör zu, ich muß noch einen Klienten anrufen. Wir sehen uns an Weihnachten, Em. Liebe Grüße an Rose und küß Tessa von mir.“

Wir verabschiedeten uns. Mit einem breiten Grinsen verschlang ich den Rest meines Essens und trank den Rest meines Kaffees. Zwischenzeitlich versuchte ich es noch mal bei Jasper, doch wieder war nur die Mailbox dran. Also rief ich als nächstes Rosalie an.

„Ja, Edward? Hast du etwas in Erfahrung bringen können?“ fragte sie mich aufgekratzt. „Ich habe mir inzwischen die Finger wund gegoogelt, aber nichts gefunden.“

„Beruhig dich und besorg ihm einen Tagesausflug mit einem Hummer. So wie ich ihn kenne am besten Offroad, damit er sich ordentlich austoben kann.“

Schweigend lauschte sie meinem Vorschlag und ließ ihn einen Moment setzen.

„Bist du dir sicher?“

Ich lachte.

„Hundert Prozent. Los, vertrödele keine Zeit und order diesen Gutschein. Bei den meisten Anbietern kannst du ihn sofort ausdrucken und mußt ihn nur noch in ein hübsches Kuvert schieben.“

„Edward, danke“, seufzte sie. „Ich mach mich sofort dran. Bye.“

Aktenzeichen RC erfolgreich erledigt und abgelegt. Der Fall Jasper Whitlock hingegen weigerte sich hartnäckig weiterbearbeitet zu werden. Schon wieder hatte ich nur den Ansagetext dran. Gut, dann kam als nächstes Banner dran. Ich rief den Kerl an und hörte mir seine neuesten Klagen an.

„…Und dann beginnt dieser Mistkerl auch noch eine beleuchtete Zwergenarmee am Zaun entlang zu postieren. Vierzehn Augenpaare leuchten wie Flutlichter in meinen Garten. Mister Cullen, ich schwöre, hier ist es hell wie auf einem Footballfeld…“

Mit einer Engelsgeduld ertrug ich seine Schilderungen, riet ihm alles zu dokumentieren und zu fotografieren und seine Nerven nicht zu verlieren.

„Mister Clearwater bemüht sich um die schriftliche Unterlassung. Zumindest in den gröbsten Verstößen“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

Leider kaute er mir noch geschlagene zehn weitere Minuten lang das Ohr ab. Ich war zwischenzeitlich versucht ihn abzuwimmeln, wie ich es mit Alice getan hatte. Aber da es ein Mandant war, schreckte ich davor zurück. Als ich das Gespräch endlich beendet bekam, fuhr ich mir über das Gesicht. Manche Menschen gehörten wahrlich in eine Gummizelle einquartiert. Ich schickte Seth eine Mail mit einem knappen Statusbericht und raffte mich schließlich auf. Kurzentschlossen kaufte ich zwei weitere Kaffees und trat den Rückweg an. In meinem Abteil angekommen, saß Isabella tippend am Tisch, wie ich sie verlassen hatte.

„Hey“, eröffnete ich zaghaft das Gespräch und trat an den Tisch. „Ich dachte, ich könne mich hiermit vielleicht für den Telefonterror entschuldigen.“

Mit meinem besten Lächeln hielt ich ihr einen dampfenden Becher hin.

„Danke“, murmelte sie um einiges versöhnlicher und klappte ihren Laptop zu.

Das sinnlose Gequake tobte lautstark aus dem Nichts und zerstörte den Waffenstillstand, den ich gerade erkämpfen wollte, im Keim. Das durfte doch nicht wahr sein!

„Ich… Es tut mir unendlich leid“, stammelte ich und zog mein Handy aus der Hosentasche.

„Edward Cullen.“

„Na, genießt du deinen Urlaub, Chef? Soll Leute geben, die noch schuften müssen.“

Da war wohl eine mies drauf. Was hatte ich denn jetzt wieder angestellt?

„Hey, Angela, wolltest du heute nicht früher Schluß machen?“

„Scherzkeks“, grummelte sie. „Dieses blöde Schreiben für deinen idiotischen Weihnachtshasser darf ich abtippen. Wenn du mir das nächste Mal etwas versprichst, dann vereinbare das mit deinem Partner, damit der auch eingeweiht ist. Speedy hält mich ganz schön auf Trab.“

„Ah, verstehe.“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Und außerdem suche ich die K.M.C.-Akte. Hast du sie mitgenommen?“

„Öhm, nein, hab ich nicht.“

Sie fluchte.

„Dann muß sie falsch abgelegt worden sein. Verdammt. Der Richter will noch ein Statement dazu. Hast du eins verfaßt? Mir hast du dazu nichts aufgetragen.“

Ich rieb mir über die Stirn. Das war bei all dem Trubel tatsächlich untergegangen. Fuck!

„Nein, hab ich vergessen.“

„Vergessen? Gott, Edward, der macht uns hier die Hölle heiß. Scheiß Workaholiker!“

„Öhm.“

Mehr bekam ich nicht hervor. Richter Gnadenlos konnte ein harter Knochen sein.

„Gut, ok.“ Angela atmete tief durch und nannte mir ihren Plan B. Sie würde die Unterlagen ausfindig machen, Seth alles zusammentragen und er konnte dann dementsprechend handeln.

„Puh, das würdest du wirklich tun?“

Sie schnaufte genervt auf.

„Hey, was würde ich ohne dich machen?“ fragte ich, um sie zu besänftigen.

„Untergehen. Mit Pauken und Trompeten. Ich rette täglich deinen Hintern! Mehrmals!“

„Oh, danke, du bist die Beste“, flutschte es mir heraus, bevor mir etwas Besseres einfiel.

Angela lachte humorlos auf.

„Verarsch mich nicht, Chef. Wir wissen beide, was ich leiste. Mach dir schon mal Gedanken um eine Gehaltserhöhung für das neue Jahr. Die habe ich mir inzwischen mehr als verdient.“

Da war aber jemand auf hundertachtzig. Normalerweise nahm sie solche Wörter nicht in den Mund. Aber ich hatte es nicht anders verdient, immerhin kannte ich ihre Nöte und hatte ihr einen baldigen Feierabend versprochen.

„Okay, darüber können wir nach den Festtagen sprechen“, lenkte ich ein.

„Gut“, bekundete sie um einiges freundlicher. „Dann mach ich mich jetzt an die Arbeit. Frohe Weihnachten, Edward.“

„Ich wünsche dir ein wunderschönes Fest. Bye.“

So wie die Dinge lagen, hatte sich Angela definitiv eine Zulage verdient. Sie war immer da, paßte sich unseren teilweise unmöglichen Arbeitszeiten an und behielt in unserem Chaos den Überblick. Ich nahm einen Schluck von meinem Getränk, während mein Gegenüber ihre Tastatur drangsalierte. Ein amüsiertes Schmunzeln lag auf ihren Lippen. Sie sah richtiggehend anziehend aus.

Der gestörte, grüne Stinker plärrte aus dem Nichts auf und sang sein Dubi-Lied des Grauens. Der liebliche Gesichtsausdruck wurde von einem totbringenden Blick eliminiert, den Isabella über den Bildschirm zu mir warf. Hastig riß ich mein Telefon ans Ohr.

„Edward Cullen.“

„Edward. Warum immer so förmlich? Schaust du nie auf das Display, bevor du ein Gespräch annimmst?“

Bei diesem Klingelton galt es schnell zu handeln und nicht kostbare Sekunden mit Anrufer auskundschaften zu verplempern.

„Hey, Mom, was gibt´s?” fragte ich statt dessen und ignorierte ihre Frage einfach.

„Ich schreibe gerade die Einkaufsliste für die letzten Besorgungen. Spezielle Wünsche? Noch kann ich sie erfüllen.“

Sie war die beste Mutter, die man sich vorstellen konnte. Obwohl all ihre Kinder inzwischen ausgezogen waren, versuchte sie uns Gutes zu tun, wann immer sie konnte.

„Nein, mach dir wegen mir keine Umstände.“

Sie kicherte.

„Du weißt, ihr macht mir keine. Wenn dir noch etwas einfällt, du hast noch eine Stunde Zeit. Schick mir einfach eine SMS und ich besorge es bis zum Fest. An die Mouse au Chocolat habe ich übrigens gedacht.“

„Oh, wirklich?“

Bei meinem letzten Besuch hatte sie eine himmlische Creme gezaubert. Was sie alles reingemischt hatte war mir nicht bekannt, aber es hatte nach purer Sünde geschmeckt. Ich hätte glatt ein Bad darin nehmen können.

„Natürlich“, bekundete sie gutgelaunt. „Ich werde eine riesige Schale voll machen. Von allem reichlich. Immerhin sind wir vollständig. Selbst Anthony meinte, er könnte es pünktlich schaffen.“

Ich hörte wie sie sich freute. Mein Zwillingsbruder nahm es mit den Terminen nicht genau. Plus minus eins, zwei Tage kam er stets zu Festivitäten. Wir unterschieden uns auf so viele Arten – aber wir hatten uns zeitgleich in diese Schokoköstlichkeit verliebt.

„Das ist toll.“

Ich freute mich, ihn wiederzusehen. Von allen sah ich ihn am wenigsten.

„Und ich verrate dir, was es an Weihnachten gibt. Rehbraten. Na, wie hört sich das an?“
Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle geküßt. Das war wie ein Sechser im Lotto!

„Jaaa“, stieß ich euphorisch hervor. „Ich liebe Rehbraten!“

Isabella schenkte mir einen undefinierbaren Blick. Oh, wahrscheinlich war ich eine Spur zu laut geworden.

„Ich freue mich“, sagte ich deutlich beherrschter.

Meiner Mutter ging es nicht anders. Lachend verabschiedete sie sich.

„Okay, bis morgen. Bye.“

Selig in mich hineingrinsend legte ich das Handy auf den Tisch.

„Wie, um Himmels Willen, kommt man zu so einem Klingelton?“ fragte mich Isabella mit einem ganz speziellen Unterton und ließ mich nicht aus ihren wachsamen Augen.

Schuldig im Sinne der Anklage. Ich verzog meinen Mund zu einer verzweifelten Grimasse

„Er ist gräßlich, nicht wahr?“

Die Antwort erübrigte sich, dennoch nickte sie stumm mit meinem Kopf einmal langsam hoch und runter.

Ich konnte nicht anders, strubbelte mir verlegen durch das Haar und massierte mir den Nacken. Über kurz oder lang kam jeder darauf zu sprechen. Die Wahrheit erschien mir der beste Ausweg.

„Ist ne Wettschuld. Letztes Jahr hab ich beim Kartenspiel gegen meinen Bruder verloren. Ein Jahr lang diesen Klingelton auf meinem Handy mit mir herumtragen, war der Einsatz. Nun, noch zwei Tage muß ich durchhalten, dann hab ich es überstanden.“

Sie starrte mich an als habe ich den Verstand verloren. Dann blinzelte sie, um in das Hier und Jetzt zurückzukehren.

„Schon mal dran gedacht, zu schummeln?“

Welch eine groteske Frage. Voller Empörung schüttelte ich meinen Kopf.

„Wettschulden sind Ehrenschulden“, beteuerte ich inbrünstig.

Wenn man verlor, dann mußte man auch mit den Konsequenzen leben. Ok, ich würde dieses Jahr alles daran setzen, um nicht in die Wettfalle mit meinen Brüdern zu landen, aber wer hätte denn ahnen können, daß Emmett und ich verlieren? Mein Blatt war spitze gewesen, das von Emmett ebenfalls. Anthony hatte definitiv mehr Glück als Verstand gehabt.

Um meiner Mitfahrerin entgegenzukommen, schaltete ich das Handy auf lautlos. Es hatte uns heute genug schikaniert. Eine kleine Auszeit hatten wir uns wahrlich verdient.

„Das gibt heute keinen Mucks mehr von sich, versprochen“, informierte ich sie und sie atmete erleichtert auf.

Sehr schön, der Frieden in unserem Abteil war somit hergestellt. Manchmal konnte man mit kleinen Dingen so viel erreichen. Ok, alles war besser als dieser durchgeknallte Frosch, der sich die Seele aus dem Leib leierte.

Isabella widmete sich ihrer Tastatur und klimperte darauf herum. Zu gerne hätte ich gewußt, was sie dort hinein hämmerte. Ab und an zog sie ihre Lippe zwischen ihre Zähne und ließ mit dieser kleinen Geste meinen Magen flattern. Irritiert über mich selbst, lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die Arbeit, die ich mir eingepackt hatte und breitete sie auf dem Tisch aus. Die verschollene Akte, die Angela gesucht hatte, tauchte in einer Seitentasche auf. Verlegen ließ ich das Beweisstück wieder darin verschwinden und informierte Seth mit einer knappen SMS, daß das Gesuchte bei mir war und sie ihre Bemühungen, es aufzuspüren, einstellen konnten.

Er antwortete mir mit einem einzigen Wort: Chaot!

Mit hochgezogenen Brauen löschte ich die Nachricht und holte noch einen Stoß Unterlagen hervor. Ich krempelte mir die Hemdsärmel hoch und zückte meinen Stift, um mir Notizen zu machen und für einen Verteidigungsfall eine Strategie auszuarbeiten. Irgendwann wurde es dunkel und ich machte das Licht an. Isabella schien nicht bemerkt zu haben, daß die Sonne längst untergegangen war. Ich sah nach draußen und alles was man vorbeiziehen sehen konnte war die weite Einöde. Da war nichts außer Steppe und ein paar vereinzelten Bäumen. Wir mußten irgendwo zwischen Arizona und New Mexiko sein. In der Nacht würden wir Las Vegas passieren und morgen Vormittag Kansas durchfahren. Ich kannte diese Strecke zur Genüge.

Unbemerkt von meiner Mitreisenden, holte ich meinen MP3 Player hervor, navigierte zur Weihnachtsmusik und ließ mich von Jingles Bells beschallen, während ich ein paar Kekse knabberte, die ich mir gestern abend auf dem Nachhauseweg mitgenommen hatte. Zimt und Vanille… Der ultimative Geschmack von Weihnachten. Ich liebte ihn.

Einmal mehr vergrub ich mich in meine Arbeit. Irgendwann kroch in mir die Müdigkeit hoch. Ich spähte auf die Uhr. Es war nach elf. Kein Wunder, daß ich langsam schlapp machte, der Tag war lang und aufregend gewesen. Isabella tippte unermüdlich Wort um Wort ab. Demonstrativ gähnte ich, doch sie bemerkte es nicht. Ich streckte und räkelte mich, doch sie starrte nur in ihren Laptop. Entweder ignorierte sie mich und die Zeichen, die ich ihr sendete, oder sie war wirklich so tief in was-auch-immer versunken, daß sie es nicht mitbekam. Ich raschelte mit meinen Papieren, doch das störte sie nicht. Kurz danach räusperte ich mich, doch wieder erntete ich keinerlei Reaktion.

Okay, ich gab auf! Die subtile Art und Weise würde mich nicht weiterbringen. Dann eben mit dem Vorschlaghammer.

„Können wir bald schlafen gehen?“

Ihre Augenbrauen zogen sich fragend zusammen, mißtrauisch musterte sie mich. Immerhin hatte ich nun ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

„Wir?“ echote sie.

Erst in diesem Moment begriff ich, was ich gesagt hatte und wie es auf sie wirken mußte. Nicht daß ich sie von der Bettkante stoßen würde, allerdings ging ich beim Flirten – wenn ich es denn darauf anlegte – erheblich feinfühliger und subtiler vor.

„Öhm, naja, jeder in seinem Bett versteht sich“, versuchte ich zu retten, was noch zu retten war und begann vor lauter Verlegenheit, meine Arbeit auf dem Tisch zu sortieren.

„Ich muß noch schreiben“, schoß sie zurück und begann sogleich ihre Worte in die Tat umzusetzen.

Fassungslos sah ich sie an. Noch nie war mir ein so unversöhnlicher Mensch begegnet. In diesen vier Wänden mußten wir uns arrangieren. Gegenseitig Rücksicht üben. Warum erkannte sie das nicht?

„Wie lange schreibst du noch?“ hakte ich nach und wappnete mich für ihre Antwort, die sicherlich nicht sonderlich positiv ausfiel.

„Hä?“ pampte sie zurück und stützte ihren Kopf in den angewinkelten Arm.

Verdutzt sah ich sie an. Mit einer solch heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Schnell fing ich mich.

„Naja, langsam werde ich müde“, murmelte ich und stapelte bedächtig die Papiere auf einen Haufen.

„Und?“ fragte sie, wandte den Blick ab und tippte rücksichtslos auf ihrer Tastatur herum.

Ich schickte ein Stoßgebet zum allmächtigen Vater hoch, mit der Bitte, mich mit einer gehörige Portion Langmut und Ausdauer zu segnen, damit ich Isabella in den Griff bekam. Diese Dame verlangte mir einiges an Nerven und Geduld ab. Seltsamerweise weckte sie zugleich mit dieser Art auch meinen Kampfgeist und Eroberungswillen. Je fieser dieses Weib wurde, desto mehr Zucker wollte ich ihr entgegenwerfen und sie mit Zuckerguß überziehen.

„Das Licht ist bestimmt nicht förderlich, wenn man schlafen möchte“, bekundete ich mit sanfter Samtstimme, die alle Frauen um den Finger wickelte.

Tatsächlich wirkte diese Taktik auch auf Isabella, ihre Haltung war nicht mehr völlig abwehrend. Sie blickte kurz auf die Uhr, zuckte mit der Schulter und schloß nach fünf Sekunden den Deckel von ihrem Laptop. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich hatte sie zum Einlenken gebracht. Gegen meinen Charme war sie also doch nicht immun. Das ließ mich hoffen. Ich wollte mich gerade erheben, als sie sofort den Kopf schüttelte.

„Ladys first. Das Bad gehört mir.“

Was für eine Kratzbürste. Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Langsam wurde es albern. Das war alles nur Show. Kein Mensch war dermaßen mürrisch. Sie mochte mich, dessen war ich mir sicher. Mit einer theatralischen Handbewegung machte ich eine ausladende Geste und bedeutete ihr stumm, daß ich ihr den Vortritt ließ. Sie blinzelte, als hätte sie mehr Gegenwehr erwartet, doch dann durchquerte sie den Raum, holte einen Kulturbeutel hervor sowie ein Kleidungsstück und verschwand in die Naßzelle.

Leise lachte ich auf. Sie war unmöglich. Von Kopf bis Fuß auf Krawall eingestellt und dennoch hatte sie etwas unwiderstehlich Süßes an sich, daß mich anzog. Diese harte Nuß würde ich noch knacken. Ein Cullen gab nicht auf. Wäre doch gelacht.

Da sie deutlich hörbar in dem Bad beschäftigt war, schlüpfte ich meinerseits in das dunkelblaue Calvin-Klein-T-Shirt, das mir Alice geschenkt, sowie die Snoopyshorts, die ich letztes Jahr von Emmett bekommen hatte. Em und ich standen auf diese Peanuts. Schon von klein auf. Sogar das ein oder andere Comic befand sich aus unserer Kindheit noch in unserem Besitz. Sie waren einfach Kult.

Kaum war ich umgezogen, nahm ich mein Handy und versuchte einmal mehr, Jasper zu erreichen. Endlich hatte ich Erfolg.

„Whitlock?“

„Hey, Jasper. Ich hab es schon unzählige Male versucht. Wo zur Hölle treibst du dich herum?“

„Ich befinde mich auf Streife. Außerdem war mein Handyakku am Ende. Ich lade es gerade im Auto auf. Sorry, Alter!“

Sein Partner Peter murmelte etwas und dann heulte die Sirene von Jaspers Dienstwagen auf.

„Was ist da los bei dir?“ fragte ich beunruhigt und sah durch das Fenster in die vorbeiziehende Dunkelheit hinaus.

„So ein Mistkerl, der hält uns schon seit einer Woche in meinem Distrikt auf Trab, aber diesmal geht er mir nicht durch die Lappen.“

Im Hintergrund hörte ich Reifen quietschen und ich malte mir bildlich die Verfolgungsjagd aus, die just in diesem Moment in Chicago ablaufen mußte. Jasper Whitlock war der jüngste Officer, den die Stadt je erlebt hatte. Als Alice ihn damals das erste Mal getroffen hatte, war es um sie geschehen. Wann immer sie konnte, bekundete sie lebhaft, daß Männer – ihr Jasper insbesondere – in Uniform unwiderstehlich aussahen.

Nach einiger Zeit hörte ich Türen knallen. Zumindest hoffte ich, daß es ein solch harmloses Geräusch war.

„Ähm, Jasper? Bist du noch dran?“

Keiner antwortete mir. Was, wenn es doch Pistolenschüsse gewesen waren? Jasper und sein Partner hilflos niedergeschossen auf dem Boden lagen? Die kugelsicheren Westen trugen sie hoffentlich durchgehend. Unruhig verlagerte ich mein Gewicht und lenkte mich mit anderen Gedanken ab. Bei Gelegenheit mußte ich Rosalie fragen, ob das auch ein Kriterium gewesen war, warum sie sich in Emmett verliebt hatte. Immerhin trugen auch die Feuerwehrmänner bei gegebenen Anlässen ihre Ausgehuniform, die es mit der Polizei von Chicago locker aufnehmen konnte. Vielleicht hätte ich meine Anwaltsrobe einpacken sollen, um bei Isabella zu punkten? Aber genaugenommen war das nur Arbeitskleidung, keine Uniform. Mist, ich hatte mich wohl doch für den falschen Job entschieden. Damit war keine Frau zu erobern, oder doch?

Tumult war am anderen Ende zu hören.

„Jasper?“

Es lärmte noch einen Moment, dann hörte ich seine Stimme.

„Hör zu, Stinker!“, bellte Jasper und irritiert zog ich meine Augenbrauen hoch. So hatte mich noch niemand bezeichnet. Ich wollte gerade Einspruch einlegen, als seine Stimme erneut erklang. „Noch eine solche Aktion, dann binde ich dich an die Stoßstange und laß dich bis zur Wache hinterherlaufen. Wir wissen beide, daß die Anklagepunkte ausreichen, um dich einzubuchten.“ Stille. „Ok, Edward, bist du noch dran? Sorry, das hatte Priorität.“

„Äh, ja, klar“, murmelte ich. „Warum ich anrufe“, nahm ich den Faden wieder auf, „Alice ist am Boden zerstört. Sie hat gesagt, du wärst fremdgegangen. Ist da etwas dran?“

Das war alles andere als diplomatisch, aber der Tag war lang gewesen und ich hatte keine Lust um den heißen Brei herumzureden.

„Bitte, was? Fremdgegangen? Ich? Fuck, nein! Sie blockt seit heute morgen jeden meiner Anrufe. Sie läßt mich nicht in unsere Wohnung, hat sogar das Schloß ausgetauscht! Ich habe mir schon überlegt, ob ich mir ein Brecheisen von der Feuerwehr besorge, um die Tür aufzubrechen. Aber das hätte bestimmt Em gesteckt bekommen und das wollte ich mir nicht geben. Egal, ich schweife ab. Sie will nicht mit mir reden und ich hatte bis eben nicht den Hauch einer Ahnung, was mit ihr los… Oh, ich habe eine Idee, was sein könnte.“

„Und die wäre?“

„Das kann nur ein Mißverständnis sein. Ich war bei Tiffanys und habe ihr einen Ring gekauft. Der mußte allerdings noch angepaßt werden. Verdammt! Die Verkäuferin war heiß.“

Heiß? Im Sinne von, sich ein Spiegelei braten? Fuck, hatte ich Hunger. Ich hatte heute eindeutig zu viel gearbeitet und zu wenig gegessen. Und warum zum Teufel erzählte er mir das? Hey, ich war ihr Bruder, ich wollte nicht hören, daß er neben Alice eine andere heiß fand!

„Natürlich nicht so wie deine Schwester“, lenkte er rasch ein, als hätte er meine Gedanken erraten. „Ähm, vergiß was ich gerade gesagt habe. Jedenfalls wohnt sie nur einen Block entfernt von uns und meinte, sie könne ihn mir vorbeibringen oder ich bei ihr abholen. Du willst nicht wissen was bei Tiffany vor Weihnachten los ist. Es ist die Hölle, also habe ich das Angebot angenommen. Du kennst das doch. Totales Mißverständnis. Genaugenommen hätte ich dir so ein Durcheinander zugetraut.“

„Ja, klingt eigentlich nach mir.“

Meine Stimme klang zerknirscht, dabei sollte ich wohl langsam beleidigt werden. Den ganzen Tag bekam ich das bereits zu hören. Es war übel mit mir, mir passierten nonstop die seltsamsten Dinge, keine Frage, so viel Selbsteinschätzung besaß ich, aber so schlimm?

„Da ist alles schiefgegangen, was schieflaufen konnte.“

„Hmm, blöd… Okay“, murmelte ich.

Wie konnte eine solch schöne Überraschung nur in das Gegenteil umschlagen? Jasper hatte die besten Absichten, dessen war ich mir sicher.

„Ich schwöre, ich habe diese Schnecke nicht angefaßt.“

„Hätte ich dir auch nicht zugetraut.“

„Ich liebe Alice“, setzte er bebend hinzu.

Von hinten höre ich eine brummige Stimme motzen. Ich vermutete, daß es sich um den Kriminellen handelte, der Jasper und Peter ins Netz gegangen war.

„Hey, Stinker, ich sag es kein zweites Mal. Fresse da hinten. Und ein Wort gegen meine Liebste und ich reiß dir die Zunge raus. Kapiert?“

„Oh Mann“, murmelte ich.

Das waren Einblicke in seine Arbeit, die ich nicht unbedingt brauchte. Mein Fast-Schwager war ansonsten eine feinfühlige und sehr umgängliche Person. Diese Seite an ihm kennenzulernen fand ich eigenartig.

„Jasper, mach ihr das klar, sie ist am Boden zerstört“, nahm ich unser Gespräch wieder auf.

„Ich habe Nachtschicht und wie ich Chicago kenne, wird es mich auf Trab halten. Ein kurzer Abstecher nach Hause ist nicht möglich und am Telefon ignoriert sie meine Anrufe. Ich fange sie morgen früh ab, bevor sie das Haus verläßt. Dann erkläre ich ihr alles.“

„Ja, gleich morgen früh“, bekräftigte ich ihn in seinem Vorhaben.

„Und was machst du? Arbeitest du noch oder wirst du Alice kontaktieren? Am liebsten wäre es mir, wenn ich es mit ihr direkt klären könnte.“

„Nein, ich gehe jetzt schlafen. Ich bin hundemüde“, beruhigte ich ihn.

Es war spät und hatte keine Muse, um diese Uhrzeit mich mit Alice herumzuschlagen. Ich hatte mich schon genug von ihr in diese Sache hineinziehen lassen. Die beiden waren erwachsene Menschen und so wie die Dinge standen, würde sich in wenigen Stunden ein Happy End anbahnen.

„Danke, Edward. Ich weiß dein Vertrauen zu schätzen. Freu mich auf Weihnachten. Ich wünsch dir eine gute Nacht.“

„Ja, dir auch.“

Er lachte leise.

„Mal schauen. Diese Stadt läßt sich ständig etwas Neues einfallen. Mach´s gut, Edward.“

„Nacht, Jazz.“

Ich klappte das Handy zu und drehte mich um. Isabella stand da und sah sichtlich ertappt aus. Wie lange sie dort bereits ausharrte, wußte ich nicht, aber ihrem Blick nach hatte sie gelauscht. Ich sollte wegen des fehlenden Maßes an Intimität verärgert sein, aber genaugenommen war es mir egal. Ich hatte kein hochgeheimes Telefonat geführt.

„Bad ist frei“, murmelte sie und überspielte ihre Verlegenheit mit einem süßen Grinsen.

Dieser Wandel verblüffte mich. Und da war noch etwas in ihrem Blick. Er war intensiv und wanderte von oben bis unten über meinen Körper. Ein schiefes, unsicheres Schmunzeln schlich sich auf meine Lippen, während ich parallel nach meinem Kulturbeutel langte.

„Was?“ hakte ich nach und zog die Augenbrauen zusammen, als meine Neugierde gewann.

Isabelle wedelte mit einer ausladenden Geste von oben nach unten und kicherte. Das war das entzückendste Geräusch was sie bisher von sich gegeben hatte. Mir wurde ganz warm. Hinzu kam, daß das Longshirt, das sie trug, ihre schlanken Beine preisgaben. Das bißchen Haut reichte aus, den kleinen Hosenteufel zucken zu lassen. Große Güte, ich war eindeutig schon zu lange Single, wenn das ausreichte und ihn hart werden zu lassen. Ich betete zu Gott, daß sie die aufkommende Beule nicht bemerkte.

„Interessanter Aufzug. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber individuell.“

Bei diesen Worten mußte ich blinzeln, um wieder in das Hier und Jetzt zurückzufinden. Angriff war die beste Verteidigung rief ich mir in den Sinn, schaute sie mit einem herausfordernden Blick an und zupfte mir am T-Shirt.

„Weihnachtsgeschenk meiner Schwester.“

Meine Hand wanderte nach unten und zupfte an der Shorts, um mir etwas Luft zu verschaffen, denn langsam wurde es im Schritt eng.

„Geburtstagsgeschenk meines Bruders. Noch Fragen?“

Hoch erhobenen Hauptes marschierte ich barfuß in das Bad und verschloß sie von innen. Leise stöhnend ließ ich mich mit dem Rücken an die Tür sinken und rieb mir über das Gesicht. Das war knapp gewesen. Um ein Haar wäre die Situation verdammt peinlich geworden. Ich brauchte dringend eine kalte Dusche, also strampelte ich meine Klamotten von mir und sprang in die kleine Naßzelle.

Zehn Minuten, ein Toilettengang und ein sinnierendes Zähneputzen später hatten sich meine Hormone samt kleinem Freund beruhigt. Diese Frau brachte mich definitiv in Wallung. Dabei war sie gar nicht mein Typ. Sie war einen Tick zu klein, war nicht blond und einen Hauch zu dünn. Trotz ihrer Kratzbürstigkeit, mochte ich ihr Temperament. Sie war kein Ja-Sager, sondern eine bemerkenswerte Persönlichkeit.

In meinen Schlafklamotten schlüpfte ich in das Abteil und steuerte auf die Schlafgelegenheit zu. Isabelle lag in dem unteren Bett und preßte sich das Kissen an den Schädel. Seltsame Schlafgewohnheiten. Beklommen sah ich auf den noch freien Platz, der sich über ihr befand. Voller Unbehagen starrte ich die Leiter an. Es waren knapp zwei Meter Höhe. Fuck, wieso mußte ausgerechnet ich hoch? Ich haßte die Höhe. Unruhig tapste ich von rechts nach links und zog für einen Moment in Erwägung, auf dem Boden zu schlafen. Dann schüttelte ich über diesen Gedanken den Kopf, straffte die Schultern und traf eine Entscheidung. Behutsam tastete ich nach einer freien Stelle zwischen der Bettdecke und stupste sanft Isabella an der Schulter an.

Wie ein Tornado flog sie herum, riß sich das Kissen vom Kopf und stützte sich auf die Ellenbogen. Ihr Blick schoß Feuerbälle in meine Richtung.

„Was?“ schnappte sie in einem Tonfall, der einen das Fürchten lehrte.

Wo fing ich an? Ich konnte ihr schlecht von meinem Handicap berichten. Das war eine sehr persönliche Sache! Unbehaglich verlagerte ich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und preßte für einen Moment die Lippen zusammen.

„Ähm, das ist mir jetzt etwas unangenehm, aber ich dachte, ich könnte eventuell unten schlafen?“ traute ich mich schließlich zu fragen.

Um die Situation zu entschärfen, zog ich meine Mundwinkel hoch.

„Du willst mich jetzt nicht ernsthaft nach oben jagen, oder?“

Ihr Blick war vernichtend. Intuitiv verglich ich sie in diesem Moment mit einer knurrenden Bulldoge, die ihr Körbchen bewachte. Nervös druckste ich herum. Wie kam ich nur aus der Nummer heraus?

„Ähm, was wäre, wenn doch?“ kokettierte ich mit all meinem Charme, den ich in diesem Augenblick aufbringen konnte.

Als Antwort ließ sie sich ins Kissen sinken und schloß die Lider.

„Abgelehnt“, verkündete sie und zog sich demonstrativ die Decke bis zur Schulter hoch.

Urteil eindeutig. Widerspruch zwecklos. Cullen, das war wohl nichts. Unbehaglich starrte ich das Bett in schwindelerregender Höhe an. Sie schickte mich in die Hölle. Einfach so. Ein verzweifeltes Seufzen schlich sich aus meinem Innersten. Ich sah mich einmal mehr auf dem Boden um. Er sah alles andere als bequem aus. Und wer konnte schon sagen wie viele Keime, Bazillen und Krankheitserreger auf diesem Untergrund ihr Dasein fristeten? Nein, eine solche Übernachtung war mir nicht würdig. Also hieß es in den sauren Apfel beißen. Zitternd ergriff ich die nächst beste Sprosse und machte mich in grauenvollen Höhen auf. Oben angekommen ließ ich mich geräuschvoll in das Kissen plumpsen. Ich fühlte mich, als hätte ich den Mount Everest erklommen.

„Hey, ich hoffe, du schnarchst nicht.“

Diese Frau war unmöglich. Mußte sie mir den Speer in das Herz rammen und mir solche Ungeheuerlichkeiten unterstellen? Keine Gnade, dieses Weibsbild. Ich sah über das Geländer nach unten. Scheiße war das hoch!

„Nein, tu ich nicht“, antwortete ich entmutigt.

Behutsam ließ ich mich zurück ins Kissen fallen und starrte an die Decke. Ganz ruhig, Edward, beschwor ich mich lautlos. Alles halb so wild. Stell dir einfach vor, du liegst in einem normalen Bett. Ich nahm einige tiefe Atemzüge und mein Selbstbetrug begann langsam zu wirken. Mein Angstschweiß trocknete, die Nervosität ging zurück und als ich meinen Puls erfühlte, hatte er sich halbwegs beruhigt.

Um mich weiter abzulenken, stellte ich mir einen einsamen, weißen Sandstrand vor. Weites Meer soweit das Auge blickte. Da standen Palmen, die sich in der warmen Brise sanft bogen. Ich ließ mich in den Sand sinken, zog meine Schuhe und Socken aus und vergrub die Zehen in dem samtigen Boden. Die Sonne blendete mich, also zog ich aus der Hosentasche eine Sonnenbrille hervor und schob sie mir auf die Nase. Ja, so ließ es sich leben. Zufrieden krempelte ich mir die Hemdsärmel hoch, entschied mich jedoch nur wenige Sekunden später dafür, mich komplett meines Hemdes zu entledigen. Zwar hatte ich keine Sonnenmilch dabei, aber hey, ich befand mich in meiner Phantasie, da konnte ich mir keinen Sonnenbrand holen. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt legte ich mich auf den Rücken und genoß die Ruhe. Sie war himmlisch.

„DumDumDaaaDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDubiDumDumDaaa…“

Innerhalb einer Nanosekunde saß ich senkrecht. Wer zur Hölle hatte diesen grünen Saftsack hierher geschmuggelt? Ich holte mein Handy hervor und warf es, ohne auf das Display zu schauen, in die nahen Fluten. Die Amphibie des Grauens blubberte noch kurz und dann quittierte mein Telefon seinen Dienst. Zufrieden sank ich wieder auf meinen Rücken, schloß die Lider und genoß die Wärme auf meiner Haut. Ich sollte so etwas öfters machen. Ich gönnte mir zu wenige Auszeiten, soviel stand zumindest fest.

„Hey, du auch hier? Das ist mein Strand.“

Ich schlug die Augen auf und spähte nach der Stimme. Isabella saß in einem knappen geblümten Sommerkleid neben mir, zog die Beine an und umschlang sie mit ihren Armen.

„Dein Strand?“ echote ich verwirrt.

Sie lachte und stupste mich in die Seite.

„Schon ok. Ich teile ihn mit dir. So ohne Hemd machst du einiges her, wer könnte dich da wegschicken?“

Ich grinste sie breit an. Für dieses Kompliment hatten sich meine gelegentlichen Sit-Ups gelohnt. Wer hätte das gedacht, die Frau konnte richtig süß sein.

„Ich könnte mehr ausziehen“, bot ich ihr verschwörerisch an.

Ihre Augenbrauen hüpften hoch.

„Ich werde dich nicht aufhalten.“

Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, schlüpfte sie aus dem knappen Kleid und saß nur noch in einem sexy gestreiften Bikini neben mir, der mir den Atem verschlug. Völlig verzaubert wanderte mein Blick an ihr hoch und runter. Ich konnte mich nicht satt sehen.

„Hast du eine Ahnung wie verflixt hübsch du bist?“

Ihr Augenaufschlag war nicht von dieser Welt. Das Gefühl sie küssen zu müssen, war übermächtig. Ich schloß die Augen und beugte mich zu ihr vor, um mein Verlangen zu stillen.

Tip, tip, tip.

Irritiert öffnete ich die Augen und blickte auf Isabella, die die Tastatur ihres Laptop bearbeitet. Wo zum Teufel kam das Mistding denn plötzlich her? Und warum war ich von einer Sekunde zur anderen abgemeldet? An was schrieb sie bloß? Ich spähte auf ihren Bildschirm, doch als sie es bemerkte, drehte sie ihn weg, so daß ich nichts erhaschen konnte.

Seufzend beließ ich es dabei, schaute mich um und rieb mir verwundert die Augen. Nur zwanzig Meter entfernt rollte ein fetter Schneemann unter drei Palmen, die mit tausend Lämpchen behangen waren, seine Decke aus und pflanzte seinen weißen, kugeligen Zweimeterkörper drauf. Fuck, ich mußte Halluzinationen haben.

„Isabella, siehst du was ich sehe?“

„Jetzt nicht“, stieß sie hervor und ließ nicht von ihrem Monitor ab.

Augenverdrehend sah ich in den blauen Himmel und weigerte mich, noch mal zu dem Schneemann zu schauen. Wenn ich ihn lange genug ignorierte, würden die Wahnbilder bestimmt verschwinden. Nach einer Weile blinzelte ich an der Arbeitswütigen vorbei und konnte in der Ferne eine Strandbar ausmachen. Der Appetit nach einem Eis kam in mir hoch. Ich fragte Isabella, ob sie ebenfalls Interesse an einer solchen Leckerei habe. Sie hob den Blick nicht, um aufzuschauen.

„Schokolade, Vanille und Nuß“, murmelte sie lediglich und hämmerte mit ihren Fingerspitzen weiter.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich unterdrückte ein Schnauben, raffte mich jedoch auf und nahm Kurs auf mein Ziel. Auf halber Strecke hörte ich schlurfende Geräusche hinter mir. Schaudernd mußte ich an Zombies denken, die sich hinter mir her schleppten, und beschleunigte meine Schritte. Was auch hinter mir her schlich, es paßte sich meiner Geschwindigkeit an. Ich war kurz davor zu rennen. Mühsam kratzte ich meinen Mut zusammen, straffte die Schultern und sah über genau diese zurück.

Hinter einer Palme konnte ich zwei weiße Kugeln des Schneemanns erkennen, der vergeblich versuchte sich dahinter zu tarnen. Ich kniff mir in den Nasenrücken. Das war absurd. Kopfschüttelnd ging ich weiter und nahm Kurs auf die Bar. Ein kleiner Tresen und ein leger gekleideter Seth begrüßten mich.

„Hey, Partner, was darf´s sein?“

Ich verzichtete darauf ihn zu fragen, was er hier trieb und nannte ihm das gewünschte Eis und ergänzte es mit meinen Vorlieben. Er schüttelte den Kopf.

„Hab ich nicht. Kann dir aber einen Kaffee anbieten.“

Er deutete zu einem Monstrum von Maschine. Seine Augen leuchteten.

„Das Schätzchen stand plötzlich vor meiner Tür. Nicht zu glauben, oder?“

Fassungslos blinzelte ich ihn an.

„Seth, es sind fünfunddreißig Grad im Schatten. Wer zum Teufel will bei diesen Temperaturen das trinken?“

Ich war kurz davor, mit der Faust auf den Tresen zu schlagen und mein Spaghetti-Eis zu verlangen.

„Hey, es muß sich nur noch rumsprechen, daß ich Kakao-Cappucino, Choccolate Mocca und Espresso Macchiato verkaufe. Die Leute werden mir die Bude einrennen.“

Fuck, waren wir bei Star Bucks oder was? Der Kerl hatte ganz eindeutig seinen Verstand verloren. Noch bevor ich ihm das entgegenschleudern konnte, spürte ich einen eiskalten Atem in meinem Nacken. Im Zeitlupentempo drehte ich mich um. Frosty stand keine fünf Zentimeter hinter mir. Von Privatsphäre und Mindestabstand hatte der Kerl wohl noch nie etwas gehört.

„Ha! Sehen Sie es endlich auch, Mister Cullen, wie penetrant dieser Schneemann ist?“ fauchte Banner neben mir und deutete mit dem Zeigefinger auf die Möhre, die sich nur Millimeter von meiner Nase befand.

Mir wurde das zuviel. Hatte ich mich nicht von der Arbeit erholen wollen? Was zum Geier taten die hier alle? Ich hatte weder auf einen keifenden Mandanten Lust noch auf einen Stalker-Frosty, der mich auf Schritt und Tritt verfolgte, sondern begehrte lediglich ein Eis. Ich warf die Hände in die Luft und stampfte durch den Sand zurück zu Isabella.

Endlich bei ihr angekommen, stellte ich erleichtert fest, daß sie der Arbeit abgeschworen hatte und genüßlich ihre Nase gen die Sonne richtete und die Augen geschlossen hielt. Als sie mich bemerkte, blinzelte sie zu mir herüber.

„Wo ist das Eis?“

Abwehrend hob ich die Hände.

„Verweigere die Aussage. Nur so viel: An diesem Ort befinden sich definit zu viele Irre.“

„Anwesende ausgeschlossen?“ kokettierte sie.

Ich rang mir ein Lächeln ab und nickte. Sie antwortete mir mit einem gehauchten Kuß auf die Lippen, erhob sich mit einer fließenden Bewegung und ging Richtung Meer. Gebannt folgte ich jeder ihrer anmutigen Schritte. Während sie noch lief, öffnete sie mit einer kleinen Geste ihr Oberteil und ließ es auf den Sand fallen. Mir stockte der Atmen. Sie sah über ihre Schulter, grinste und machte eine knappe Handbewegung, daß ich ihr folgen sollte.

Welcher Mann konnte da schon nein sagen? Wir waren allein an diesem herrlichen Platz. Die Bekloppten hingen alle bei Seth rum und gossen mutmaßlich Literweise Kaffee in sich hinein. Stellte sich die Frage, ob der Schneemann das vertragen konnte, oder sich bereits aufgelöst hatte. Auf der anderen Seite: Wer bei diesen Temperaturen nicht zerfloß, dem machte ein Becher vom schwarzen Gebräu ebenfalls nichts aus. Eilig entledigte ich mich meiner Hose und folgte ihr in meiner Snoopy-Shorts.

Das Wasser war klar und herrlich warm, als würde man in eine Badewanne steigen. Das war der Himmel auf Erden. Ich mußte mir diesen Ort merken und unbedingt hierher zurückkommen. Mit ein paar Schwimmzügen war ich bei Isabella. Das Wasser brach sich in kleinen Wellen an ihrem zierlichen Körper und verhüllte nichts von ihrer Schönheit. Ich zog sie an mich, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küßte sie voller Hingabe. Sie drückte sich sanft an mich und erwiderte die Zärtlichkeit. Selten hatte mich jemand wie sie in solche Gefühle verstrickt. Sie war Verführung pur. Wie eine Sirene, der man keinen Wunsch abschlagen konnte. Unsere Finger verwoben sich ineinander, während wir den Kuß intensivierten.

„Hey, was zum Teufel macht ihr da?“

Erschrocken wirbelten wir herum. Ein winziger, dafür umso pummeliger Mann stand am Strand und stemmte die Hände in die Hüfte. Wer hatte den denn eingeladen?

„Das ist Erregung öffentlichen Ärgernisses!“

Verwirrt sah ich zu meiner Süßen. Sie hob die Schultern und schüttelte nur ungläubig den Kopf. Ich schwamm einige Züge in seine Richtung und baute mich zu meiner vollen Größe auf.

„Verschwinden Sie, das ist der Strand der Lady!“

Er holte aus seiner Hosentasche ein zerfleddertes Dokument.

„Behauptet sie das? Ich habe es schwarz auf weiß. Dies ist mein Grund und Boden.“

Hinter ihm kam eine Kutsche mit einem Rudel Rentieren zum stehen. Wo die plötzlich herkam, erschloß sich mir nicht. Sechs weitere Zwerge mit Weihnachtsmützen sowie Jasper und sein Partner stiegen aus und traten neben ihn. Jasper schob sich die Sonnenbrille in das blonde Haar.

„Hey, Alter, was machst du denn für einen Scheiß? Weiß doch jeder, daß dieser Abschnitt dem Kerl gehört. Sorry, aber ihr werdet mitkommen müssen.“

Ich verstand die Welt nicht mehr.

„Das ist doch absurd“, stieß ich hervor. „Hier gibt es kein Schild. Kein gar nichts! Das ist freies Gelände!“

Peter ging einige Schritte zu einem Schild, von dem ich schwor, daß es vor einer halben Sekunde noch nicht vorhanden gewesen war und drehte es um. Da stand ganz klar, daß es sich um Privatbesitz handelte, keiner einen Fuß darauf setzen durfte und jede Zuwiderhandlung schwer bestraft wurde.

„Ihr habt ihn gehört“, bellte der unsympathische Winzling. „Raus da!“

Ich kämpfte mich aus dem Wasser, warf Isabella ihr Bikinioberteil zu, damit sie ihre Blöße bedecken konnte, und nahm ein Handtuch von Peter entgegen.

„Können wir diese Sache nicht einfach vergessen? Ich meine, wir verlassen den Strand und alles ist gut…“

„Vergiß es! Ich will Gerechtigkeit!“ grunzte Schweinchen Dick.

Jasper legte beruhigend seine Hand auf meinen Arm.

„Kommt mit, dann bringen wir die Sache rasch hinter uns.“

Inzwischen war Isabella hinter mir aufgetaucht, sie nahm dankbar das Handtuch entgegen, trocknete sich ab und warf sich das Kleidchen über. Kopfschüttelnd über diese Situation, sammelte ich meine Klamotten auf und stapfte mit dem Handtuch um die Hüften zu dem Polizeiwagen. Zusammen ließen sich Isabella und ich auf die Rücksitzbank zwischen den Weihnachtselfen sinken. Ihre kurzen Beinchen wippten unermüdlich vor und zurück und traten mich ans Schienbein. Peter setzte sich auf den Beifahrersitz und Jasper nahm neben mir Platz. Fuck, war das eng. Wir saßen Beckenknochen an Beckenknochen, zumindest kam es mir so vor. Unverzüglich startete die Fahrt ins Unbekannte.

„Wohin fahren wir?“ forderte ich zu wissen.

Draußen war der Strand verschwunden und dichte Häuserzeilen rauschten an uns vorbei. Verwunderlich wie schnell die Szenerie gewechselt hatte. Ich funkelte den Winzling direkt gegenüber böse an. Er bemerkte es, ignorierte mich jedoch demonstrativ und trat mir weiter ans Schienbein. Dieser kleine Dreckskerl schaffte es tatsächlich Aggressionen in mir zu wecken.

„Wir sind bereits da“, antwortete Jasper gütlich und augenblicklich hielt das Gefährt.

Ich kniff die Augenbrauen zusammen. Vor uns erhob sich ein riesiges Gerichtsgebäude. Zögerlich stieg ich aus. Der Gehweg war menschenleer. Wie ferngesteuert schlüpfte ich in meine Hose, Socken sowie Schuhe und schlußendlich in mein Hemd.

„Das ist doch ein Scherz“, rebellierte ich.

Jasper schüttelte entschuldigend den Kopf und nickte die Treppe hinauf zum pompösen Eingang. Ich ergriff Bellas Hand und schritt mit ihr hinter ihm die Stufen nach oben. Wir passierten eine weiträumige Halle, die aus tausenden von Mosaiksteinchen bestand. Sie waren auf dem Boden, an der Wand und an der Decke. Wir wurden durch einen Gang geführt und schließlich öffnete sich eine Tür, die zu einem Gerichtssaal führte.

Er war gefüllt mit einer Unmenge an Menschen, die sich alle auf ihren Sitzen nach uns umdrehten. Isabella und ich schritten den Mittelgang entlang. Die Szene erinnerte mich eher an eine Art Hochzeit als an eine Verhandlung. Als ich zu meiner Mitangeklagten blickte, trug sie ein weißes, langes Kleid. Wo war das Sommerkleidchen geblieben?

„Wo hast du das her?“

Sie zuckte mit der Schulter und musterte ihren eigenen Aufzug selbst überrascht.

„Frag mich nicht. Ich hab keinen Schimmer.“

Verdattert sah ich sie an.

„Mann, ich wollte nur ein paar Sekunden am Strand entspannen und jetzt sind wir hier.“

Sie schenkte mir ein Schmunzeln.

„Vielleicht arbeitest du zuviel?“

Was hatte das eine mit dem anderen zu tun? Egal, wir standen inzwischen vor dem Richter. Ungläubig blinzelte ich Frosty, den Schneemann, an und sah zu, wie er seinen Zylinder absetzte und sich eine schwarze Kutte überzog. Es glich eher einem Pfarrerkostüm als der üblichen Arbeitskleidung. Und überhaupt! Selten hatte ich etwas solch Kurioses gesehen.

„Wer übernimmt die Verteidigung?“ fragte er mit dröhnender Stimme.

„Ich“, antwortete ich automatisch.

Er nickte gütlich und wies uns an, zu unserem Tisch zu gehen, an dem wir Platz nehmen konnten und wo mich bereits die schwarze Anwaltsrobe erwartete. In der ersten Reihe der Besucher hinter uns, erblickte ich meine Familie. In der zweiten Reihe saßen Verwandte zweiten und dritten Grades. Ungläubig verfolgte ich, wie sie mir alle freudig zuwinkten. Emmett kam kurz auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter.

„Mach sie fertig, Kleiner! Mom, hat Rehbraten im Ofen. Laß dir nicht zuviel Zeit, sonst ist das Essen hin.“

Ich blickte zu Esme, die, von meinem Vater und Alice flankiert, auf der Bank saß und mir genauso wild wie meine Schwester zuwinkte. Kopfschüttelnd nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich neben Isabella. Frosty eröffnete die Verhandlung und verlaß die Anklagepunkte.

„Betreten verbotenen Bodens, Knutschen am Strand, unsittliche Blicke, Erregung öffentlichen Ärgernisses und Nacktbaden im Meer. Dazu noch Absichten mit sexuellen Hintergrundes.“

„Einspruch, euer Ehren!“ donnerte ich und stand auf.

Die Menge raunte, aber das war mir egal. Ich atmete tief durch.

„Als ich am Strand ankam, war keine Beschilderung zu entdecken. Für einen Kuß angeklagt zu werden ist lächerlich. Für Blicke… Ich muß schon sehr bitten! Und wir waren nicht nackt im Meer. Wir hatten immer noch ein Kleidungsstück am Leib. Zudem sind Gedanken frei und können nicht hier zum Tatbestand gezählt werden.“

Ich genoß seine Verwirrung und setzte mit lauter Stimme hinzu: „Die Fakten sprechen für sich!“

„Yeah! Edward gib´s ihnen“, erklang meine Stimme.

Ich drehte mich zu ihr um, sie gehörte zu Anthony. Ich konnte ihn in der Masse nicht ausmachen. Verflixt. Wo drückte sich der Kerl schon wieder herum? Ich hatte ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Endlich entdeckte ich ihn an der Tür. Er trug ein blaues Hemd, das er sich hochgekrempelt hatte und eine Jeans, die einen Hauch zu tief auf der Hüfte saß. Lässig lehnte er an der Wand und biß in einen Apfel, als wäre das alles eine verdammt gute Show, die es zu beobachten galt. Ein Himmelreich für seine Gleichgültigkeit. Er steckte nicht in meiner Haut und mußte nicht Isabellas und meinen Hintern aus dieser unsäglichen Sache raushauen.

Langsam wandte ich mich wieder um und wedelte mit den Händen Richtung Isabella und dann zu mir.

„Ich plädiere auf Freispruch“, erklärte ich mit fester Stimme.

Der Richter sah mich prüfend an, dann bekundete er überraschend: „Stattgegeben.“

Verblüfft sah ich ihn an, denn sein Mienenspiel verhieß nichts Gutes.

„Das freut mich zu hören“, bekundete ich freundlich. „Mein Mandant ist unschuldig“, setzte ich sicherheitshalber hinzu.

„Heißt das nicht Mandantin?“ flüsterte Bella neben mir.

Ich blinzelte sie an.

„Stimmt“, wisperte ich zurück.

„Und warum bin plötzlich nur noch ich angeklagt? Was ist mit dir? Du mußt auch einen Freispruch bekommen.“

Genau! Was zur Hölle war mit mir?

Ich formulierte die Frage laut und wartete auf eine Antwort.

„Ja, Mister Cullen, da haben sie völlig recht“, gab der Richter zu und klang dabei seltsam weiblich.

Insgeheim fühlte ich mich nicht ernstgenommen und rechnete jeden Moment, daß er aufsprang, mich auslachte und verhöhnte.

„Die Beweise sind eindeutig“, setzte ich sicherheitshalber hinzu.

Er nickte und winkte mich nach vorne zu sich. Langsam stand ich auf und schwang mich über eine kleine Brüstung, die seinen Pult von dem Rest des Raums trennte. Er klopfte laut mit seinem Hammer auf Holz.

„Unschuldig, Cullen. Nehmen Sie ihr Mädchen und verschwinden Sie zu ihrem Weihnachtsfest. Hier, nur noch unterschreiben.“

„Was ist das?“ murmelte ich und besah mir kritisch das Dokument.

„Die Fahrtkostenpauschale für Jasper Whitlock. Der Staat muß sparen. Der Polizeidienst ist schließlich kein Taxiunternehmen, nicht wahr? Außerdem wollen auch Rentiere von etwas leben.“

Ich kritzelte meine Unterschrift auf das Papier.

„Sie und die Kleine passen sehr gut zusammen. Meinen Segen hättet ihr. Ich nehme übrigens auch Trauungen vor. Wenn Sie sie also ehelichen wollen, melden Sie sich doch bei mir.“

Er zwinkerte mir zu und gab mir seine Visitenkarte.

Frosty
Dritter von Zwölf
24/7/365
Trauungen und Verhandlungen aller Art


Was zur Hölle, war alles was ich dazu denken konnte.

„Jederzeit. Wann und wo Sie wollen“, setzte er beschwörend hinzu.

„Das ist schön zu wissen“, murmelte ich, wandte mich um und ging zurück. Bei Isabella angekommen, schlang ich meinen Arm um sie.

„Was hat er gesagt?“ fragte sie und sah mich aus großen rehbraunen Augen zu mir hoch.

Ich gab ihr einen flüchtigen Kuß.

„Er meinte, wir passen sehr gut zusammen.“

Sie lächelte.

„Das finde ich auch. Was ist deine Meinung?“

Ich grinste sie an.

„Süße, wenn du das noch nicht begriffen hast…“

Zärtlich nahm ich ihr Gesicht in die Hände und küßte sie auf die Lippen. Als ich mich von ihr löste, war der Saal leer. Verwundert blickte ich mich um.

„Wo sind sie alle hin?“

Bella zuckte mit der Schulter.

„Vielleicht zum Weihnachtsessen?“

Ich sah auf meine Armbanduhr, die mir verriet, daß wir bereits den 27.12. hatten. Wir hatten Weihnachten verbummelt. Ich war keinen Deut besser, als mein unzuverlässiger Zwillingsbruder. Esme war sicher am Boden zerstört, daß ich ihr Essen verschmäht und die Familie hatte warten lassen.

„Was hältst du davon mitzukommen?“ fragte ich sie. „Da gibt es noch ein paar Familienmitglieder, die ich dir gerne vorstellen würde.“

Sie nickte und hakte sich bei mir ein. Draußen stand bereits der Überlandzug. Sie erglomm die drei Stufen und dann folgte ich ihr.

Sonne kitzelte mein Gesicht. Ich schlug flatternd die Augen auf. Es brauchte einen Moment, bis ich begriff, wo ich mich befand. Und dann erblickte ich Isabella, die es sich halb auf meinem Brustkorb gemütlich gemacht hatte. Ich strich ihre wilde Mähne etwas aus dem Gesicht. Sie sah unheimlich lieblich aus. Wie aus meinem Traum, nur daß ich mir in diesem Moment sicher war, daß dies hier die Realität war. Wie war sie in mein Bett gekommen? Sie hatte nicht oben schlafen wollen. Oben! Ah, Fuck, allein der Gedanke ließ mich zittern.

Sie begann sich zu räkeln und zu gähnen. Es fühlte sich herrlich an, sie so nah bei mir zu spüren. Die Umstände waren mir herrlich egal. Sie hob die Lider und sah mich desorientiert an.

„Guten Morgen“, flüsterte ich mit einer unvergleichlichen Samtstimme und lächelte sie an.

Blinzelnd blickte sie mich an und schwieg.

„Ich dachte, das Obergeschoß sagt dir nicht zu?“ neckte ich sie und in meinen Mundwinkel zuckte es verschmitzt.

Ihre Augen weiteten sich, aber sie sprach immer noch kein Wort.

„Hattest du angenehme Träume?“ erkundigte ich mich und dachte an den Sandstrand, an dem wir uns befunden hatten. Also ich hatte ganz ausgezeichnet geschlafen. Ok, auf die Verhandlung hätte ich verzichten können, aber diese Absurdität hatte ich mit Links gemeistert.

Langsam erhob sie sich von meinem Brustkorb und schälte sich aus meiner Armbeuge. Ihre Wangen wurden von einem zarten Rosa geziert und am liebsten hätte ich mich zu ihr vorgebeugt und ihr einen Kuß geraubt.

„Ich verweigere die Aussage“, stieß sie mürrisch hervor und kletterte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck aus dem Bett und die Sprossen herunter.

Was auch immer in ihr vorging, sie verließ mein Nachtlager. Sie war aus unerfindlichen Gründen unter meine Decke geschlüpft, nicht ich unter ihre. Ich war definitiv im Vorteil. Lässig setzte ich mich auf und ignorierte die schwindelerregende Höhe. Sie trug ein Shirt mit meiner Lieblingsmannschaft.

„Ich stehe übrigens auch auf die Yankees“, rollte es mir über die Lippen

Die ganze Situation war ihr sichtlich peinlich. Sie zog ihr Longshirt tiefer zu den Knien und verschwand in Null Komma Nichts mit frischen Klamotten in dem Bad. Leise lachte ich auf. Selten ein solch hübsches Ding erlebt. Mit ihr wurde es sicherlich nie langweilig. Ich schwang meine Beine über die Kante und machte mich vorsichtig an den Abstieg. Unten angekommen seufzte ich erleichtert auf. Am Boden fühlte ich mich erheblich besser.

Mit wenigen Schritten war ich bei meinem Koffer und suchte mir einige legere Kleidungsstücke heraus, die ich auf den Tisch legte. Ich spähte aus dem Fenster und sah die herrlich weite Landschaft an mir vorbeiziehen. Das waren Bilder, die man in keinem verdammten Flugzeug zu sehen bekam. Duschgeräusche drangen an mein Ohr und ich mußte unwillkürlich an den Strand denken. Wie Bella die Hüllen – zumindest teilweise – fallen ließ und welchen Anblick sie mir bot. Eins war sicher, diese Frau und ich, in diesem Abteil war pures Schicksal. Es war Bestimmung. Sie zu wollen, war die einzige Konsequenz. Die Nacht hatte mir die Augen geöffnet. Isabella Swan würde heute den geballten Edward-Cullen-Charme zu spüren bekommen. Oh und ich konnte sehr überzeugend sein, wenn ich wollte.

Ich langte nach meinem Handy. Eine ungelesene Nachricht – von meiner Schwester.


Hey, Edward!
Ich bin eine dumme Gans! Jasper ist nicht fremdgegangen. Er hat mir alles erklärt.
Danke für deine Hilfe! Ich freu mich auf dich. Wir holen dich vom Bahnhof ab.
Lieb dich!
Alice



Na bitte, ging doch! Ich stellte den Ton meines Handys auf laut und schickte ein Stoßgebet los, daß meine Familie heute keinen Telefonterror probte. Nach kurzem Überlegen wählte ich die Nummer meines Zwillingsbruders. Es interessierte mich sehr, ob er es pünktlich zum Fest schaffte. Leider ging nur seine Mailbox dran. Ein voreingestellter Standarttext verkündete, daß ich ihm aufs Band sprechen solle.

„Hey! Ich bin es, Edward. Kommst du pünktlich zu Weihnachten? Ich würde mich sehr freuen, wenn du deinen pelzigen Hintern nach Chicago bewegst. Die anderen natürlich auch. Meld dich bei mir.“

Ich legte das Telefon zurück auf den Tisch, als sich die Badezimmertür öffnete. Meine Mitbewohnerin trug eine helle Bluse, einen knielangen Rock und darunter passende Stiefel, die ihre Beine auf verbotene Weise zur Geltung brachten. Sie gab mir zu verstehen, daß der Waschraum ab sofort mir zur Verfügung stand. Ich schnappte meine Kleidung und grinste in mich hinein, während ich das Kabuff betrat.

Zwar hatte ich erst am Vorabend geduscht, aber das hielt mich nicht davon ab, mich erneut darunter zu stellen und mich unter dem warmen Wasser durch meine Phantasien treiben zu lassen. Ich hatte eine lebhafte Vorstellungskraft und malte mir die eine oder andere heiße Szene aus, die ich mit der Frau nur wenige Meter entfernt erleben konnte. Es war nicht meine Absicht gewesen, trotzdem begann ich mich zu befriedigen. Wenn ich mir nicht diese Erleichterung verschaffte, würde ich noch wie ein pubertierender Junge um sie herumschleichen. Nein, ein Edward Cullen stellte sich besser an.

Ich mußte unbedingt herausfinden, ob sie in Chicago lebte oder dort nur zu Besuch war. Es war ein überwältigender Gedanke, daß sie in derselben Stadt lebte wie ich und wir eine Beziehung aufbauen könnte. Ja, verdammt, mich hatte es erwischt und ich konnte nicht genau sagen, wann genau es bei mir gefunkt hatte, aber die Anzeichen waren nicht zu verkennen. Mein Herz schlug einen Takt schneller, wenn ich sie sah. Egal, ob ihre Haare akkurat gekämmt waren oder in alle Himmelsrichtungen abstanden. Sie zog mich magisch an.

Vorsichtig kletterte ich aus der Dusche, trocknete mich ab und rasierte mich. Zu guter Letzt schlüpfte ich in frische Unterwäsche, eine ausgewaschene Jeans, die lässig auf der Hüfte saß und ein hellgraues Hemd, daß mir Alice vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte und sich in kurzer Zeit zu einem meiner Lieblingsstücke entwickelt hatte. Meine Schwester würde es wiedererkennen und sich freuen, daß ich es trug.

Mit dem Handtuch rubbelte ich etwas meine Haare trocken, ignorierte den Kamm und fuhr statt dessen einige Male mit den Fingern durch meine Mähne. Wenn ich nicht arbeiten mußte, hielt ich mich mit dem Frisieren keine halbe Ewigkeit auf. Abschließend putzte ich Zähne und überprüfte mein Erscheinungsbild. Der Anwalt hatte dem Privatmenschen platzgemacht. Ich war gespannt, ob Isabella der neue Anblick gefiel. Siegessicher trat ich nach draußen.

„Auch Lust auf einen Kaffee?“ fragte ich, verstaute meine Nachtsachen im Koffer und sah sie erwartungsvoll an.

Oh ja, ihr Blick war eindeutig. Sie konnte sich kaum satt sehen. Diese Lady konnte noch so sehr einen auf Eisberg machen, ich sah in ihre Seele und erkannte das Offensichtliche. Ihr gefiel, was sie sah. Sie nickte stumm, also verschwand ich aus dem Raum und machte mich zu dem Essenswagon auf. An diesem Morgen herrschte reger Verkehr auf dem Korridor. Zwei kleine Kinder spielten fangen, eine verzweifelte Mutter jagte ihnen nach. Etliche Pärchen und Singles bewegten sich mit oder gegen den Strom Richtung Frühstück. Unterwegs bekam ich eine SMS von meinem Bruder.


Sitz bereits im Flieger.
Nerv nicht!
Tony



Meine Augenbrauen hüpften amüsiert nach oben. Er war wie Isabella ein Typ Mensch, der grundsätzlich ruppig erschien, es jedoch nicht so meinte. Bei Anthony mußte man zwischen den Zeilen lesen. Da stand geschrieben: Ich beeile mich so gut ich kann. Mach dir keine Sorgen, ich mach mir auch keine. Bis dann.

Gut gelaunt orderte ich zwei Becher des schwarzen Gebräus und etwas zu Essen. Durch das Gedränge zurückzukommen erwies sich als nicht so einfach. Die Tüte hatte ich mir unter den rechten Arm geklemmt und die Becher hielt ich mit spitzen Fingern von mir weg. Mit jeder Sekunde wurde es heißer. Zumindest kam es mir so vor. So schnell ich konnte, eilte ich zurück zu meiner Unterkunft. Drinnen angekommen, sprang Isabella von ihrem Stuhl am Tisch auf und nahm mir einen der Behälter ab. Dankbar lächelte ich sie an und wechselte den Becher in die andere Hand, zu einer anderen Stelle, wo es erträglicher war.

„Ich habe Sandwichs mitgebracht. Interesse?“

Die Papiertüte legte ich zwischen uns auf den Tisch.

„Danke“, nuschelte sie und nippte an ihrem Getränk.

Selbst wie sie trank war hinreißend. Ich nahm einen Schluck und beobachtete sie wie sie ebenfalls einen weiteren nahm. Der Zug ruckelte heftig nach rechts und links und brachte mich ins Wanken. Heiße Flüssigkeit schwappte über meine Hand und verbrühte mich. Reflexartig zuckte ich zusammen und übergoß mein Hemd. Die Hitze schlug durch die Fasern und fraß sich auf meine Brust. Ich fluchte lautstark, warf instinktiv den Herd allen Übels von mir und wedelte mit der schmerzenden Hand in der Luft herum.

Ich verbrannte!

„Aaahhh, verdammt! Tut das weh!“, wimmerte ich lautstark auf und versuchte mit der linken Hand das Hemd aufzuknöpfen. Allerdings wehrten sich diese kleinen Mistkerle vehement aufzugehen. Ich stöhnte voller Schmerzen auf. Ehe ich mich versehen konnte, wurde ich am Ellenbogen zum Bad geschleppt. Kaltes Wasser lief nur Sekunden später über meine knallrote Hand. Dankbar seufzte ich auf, während Isabella sich an meinem Oberteil zu schaffen machte. Mit jedem geöffneten Knopf ließ der Schmerz erheblich nach. Sie zupfte das Hemd aus der Hose und öffnete die letzten beiden Knöpfe, während die Tür ins Schloß fiel.

Erst in diesem Moment realisierte ich, daß wir auf engstem Raum zusammenstanden, während sie mich entkleidete. Der Schmerz verblaßte zusehnst, während sie meine Arme aus den Ärmeln schälte. Ich erwischte sie dabei, wie sie an mir schnupperte. Was sie roch, gefiel ihr offensichtlich. Daß ich solch leichtes Spiel mit ihr haben könnte, hätte ich nicht gedacht.

„Okay, ich denke, den Rest schaffst du alleine“, nuschelte sie, versuchte etwas Abstand zu mir zu bekommen und holte mich damit auf den Boden der Tatsachen zurück.

Der Eisberg war zurück und tat desinteressiert. Mein Verstand überschlug sich bei der Frage, wie ich Isabella für mich gewinnen konnte. Sie wandte sich um und rüttelte an dem Türknauf.

„Was ist denn jetzt los?“ und zerrte einmal mehr an der verschlossenen Tür.

Ich drehte das Wasser ab und wandte mich behutsam um, damit ich ihr nicht auf die Zehen trat. Vorsichtig schob ich mich an ihr vorbei und versuchte mein Glück. Das Schloß blockierte auf wundersame Weise.

„Wir sind eingeschlossen“, faßte ich unsere Lage zusammen.

„Toll“, schnaubte sie genervt.

Mit aller Gewalt rüttelte sie an der Tür, die sich davon nicht beeindrucken ließ. Nach ein paar Sekunden, gab sie frustriert auf.

Vielleicht hätte ich sie vorwarnen sollen. Mir passierten die seltsamsten Dinge zu den unmöglichsten Zeitpunkten. Das hier war nur eins von vielen.

„Du solltest dich von mir fernhalten. Ich ziehe das Unglück magisch an“, murmelte ich.

Damit untertrieb ich nicht. Ständig erlebte ich solche Sachen, die keinem normalen Mann geschahen. Mein Umfeld bedachte mich deshalb des öfteren mit Spott. Zum Glück hatte ich ein dickes Fell. Isabella lehnte sich seufzend an meine Brust. Sie prickelte immer noch von der Schwarzbrühen-Attacke, aber das ignorierte ich. Beruhigend streichelte ich über ihre Oberarme. Ich konnte ihren Frust nachempfinden. Mir gefiel es ebenfalls nicht, in diesem Miniraum gefangen zu sein.

„Okay, die Lage ist beengt, aber nicht aussichtslos. Laß uns Ruhe bewahren“, murmelte ich sanft.

„Beengt, aber nicht aussichtslos? Wir stehen hier auf gut einem Quadratmeter und können nicht raus“, fauchte sie mich an, wich aber nicht vor mir und meinen Berührungen zurück.

Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, begann draußen der elende Frosch sein Liedchen zu trällern. Isabelle stöhnte laut auf und drehte sich nun doch zu mir um.

„Sag mal, du super Hecht, ist es nicht unheimlich schwer, all deine Frauen unter einen Hut zu bekommen?“

„Wie meinen?“

Man sagte mir einiges nach, aber daß ich mehrere Frauen gleichzeitig hatte, war mir noch nie vorgeworfen worden. Mal abgesehen, daß es jeglicher Wahrheit widersprach. Meine Augenbrauen zuckten fragend nach oben und ein halbes Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Diese Frau kam auf absurde Ideen. Draußen leitete die Amphibie des Grauens grölend die zweite Runde ein. Isabella verzog ihren Mund.

„Schon den Überblick verloren, oder was? Ich spreche von Rose, Alice und Angela.“

„Was?“ stieß ich lachend hervor und lehnte mich gegen die Wand.

Ich fuhr mir durch die Haare, während ich ihre Worte sacken ließ und sie mich mit einem vernichtenden Blick anstarrte. Draußen tobte das Handy sich hemmungslos aus und stellte unsere Nerven auf eine wahre Geduldsprobe. Dann dämmerte mir, welches Bild sie von mir haben mußte. Sie hatte den Gesprächen gelauscht, die ich am Vorabend geführt hatte. Himmel, wie konnte man dermaßen schlecht kombinieren? Ich grinste sie schief an und verlagerte mein Gewicht auf das andere Bein, bevor ich mich ans Aufklären machte.

„Ähm, also Rose ist meine Schwägerin und sie ist verzweifelt auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für meinen Bruder Emmett, weil der sich nämlich gestern das Autoradio gekauft hat, was sie ihm schenken wollte. Angela ist Seths und meine Sekretärin in der Anwaltskanzlei C&C und Alice, Himmel, Alice ist meine kleine Schwester, die aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hat, weil sie die Zeichen falsch gedeutet hat und ihrem Freund eine Affäre unterstellt hat. Was natürlich völlig an den Haaren herbei gezogen ist. Jasper hat ihr einen Ring besorgt, den zufällig eine hübsche Angestellte von Tiffany ihm Zuhause abgeliefert hat. Er macht ihr zu Weihnachten einen Antrag.“

Endlich verstummte mein Handy. Isabella ließ sich schwer gegen die Tür sinken und fuhr mir mit der Hand über ihr Gesicht.

„Keine Affären mit Frauen?“ murmelte sie hinter vorgehaltener Hand.

Ihr war es unendlich peinlich, das erkannte ein Blinder. Ich konnte sie nicht leiden sehen. Behutsam griff ich nach ihrer Hand und zog sie sanft nach unten.

„Gar keine“, bestätigte ich lächelnd und strich eine ihrer Haarsträhne aus dem Gesicht, dabei berührte ich sie.

Ich konnte nicht anders und streichelte ihr über die Wange, verharrte dort und strich mit dem Daumen über ihre Haut. Sie fühlte sich herrlich warm und weich an. Mein Blick vergrub sich in ihrem. Es war, als würde ich in einen See aus Schokolade tauchen – und ich liebte diese Süßigkeit. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich mir ihrer Nähe in aller Konsequenz bewußt wurde. Langsam beugte ich mich zu ihr herunter und betete, daß sie mir keinen Korb gab. Als meine Lippen kurz davor waren ihre berührten, wanderten ihre Hände in meinen Nacken und zogen mich den letzten Rest zu ihr.

Der Kuß übertraf meine kühnsten Vorstellungen. Sie schmeckte nach einer Mischung aus frischer Zahnpasta, einem Hauch Kaffee und süßer Bella. Ich schlang meinen linken Arm um sie und hielt sie dicht bei mir. Wir versanken immer tiefer in Zärtlichkeit und Hingabe. Ich forderte und sie gab mir bereitwillig. Sie ließ sich locken und verwob sich mit mir. Unsere Zungen tanzten als seien sie für einander geschaffen. Ich liebte ihre Leidenschaft bereits jetzt. Mein Innerstes bebte. Sie stellte herrliche Dinge mit mir an und ich wollte, daß es niemals endete. Ich saugte und liebkoste mit all meinem Können an ihr, verwöhnte ihre Lippen mit sanftem Knabbern bis sie keuchend nach Atem rang und sich von mir löste.

„Upps“, nuschelte ich.

Etwas Geistvolleres fiel mir nicht ein. Mein Hirn litt definitiv unter Sauerstoffmangel. Isabellas Wangen waren gerötet und ihre Augen funkelten voller Begierde. Da war mehr als ein Funken übergesprungen, das sah ich mehr als deutlich. Selten hatte ich mich so wohl gefühlt wie in diesem Moment.

„Du mußt wissen, daß das nicht meine übliche Vorgehensweise ist. Also nicht, daß du denkst, ich tu so was öfters. Bitte, denk nicht falsch von mir…“, versuchte ich mich zu rechtfertigen.

Weiter ließ sie mich nicht sprechen. Ihr Zeigefinger legte sich auf den Mund. Aus großen Augen sah ich sie an. Was immer du willst, mach es mit mir, dachte ich und wünschte, sie könnte Gedanken lesen. Ein unwiderstehliches Lächeln eroberte ihre Züge.

„Küß mich einfach, du Chaot.“

Das mußte sie mir kein zweites Mal sagen. Ich nahm sie in den Arm und versenkte meine Lippen auf ihren. Ihre Hände wanderten über meine nackte Brust und trieben mich in den Wahnsinn. Die Finger vergrub sie irgendwann in meinen Haaren und ich wollte, daß das niemals endete. Von diesen Zärtlichkeiten konnte man süchtig werden. Ich sank auf den geschlossenen Klodeckel und zog sie auf meine Oberschenkel. Ihr Mund verschlang gierig den meinen, unterdessen zogen ihre Fingerspitzen feurige Linien auf meinem Rücken. Meine Hand wanderte unter ihre Bluse und strichen über ihre Lenden. Sie ließ von mir ab und begann ihr Oberteil aufzuknöpfen.

„Bella, nicht“, keuchte ich. „Hör auf damit.“

Sie grinste.

„Nicht dein Ernst? Oder willst du das übernehmen?“ fragte sie keck.

Nichts lieber als das. Ich wollte sie so sehr, in meiner Jeans wurde es ernsthaft eng.

„Wir haben nichts zum Verhüten“, warf ich mit dem letzten Funken Verstand ein, den ich zusammenkratzen konnte.

Das holte sie ebenfalls auf den Boden der Tatsachen zurück. Nur zwei Sekunden später feixte sie mich spitzbübisches an.

„Es gibt viele Spielarten von Sex. Laß uns eine wählen, die risikofrei ist. Oder scheust du Handarbeit?“

Ihre Hand wanderte in meinen Schritt und entlockte mir Stöhnen.

„Normalerweise hebe ich mir Liebemachen für das dritte Date auf“, keuchte ich hervor, während sie meine Hose aufknöpfte.

Zur Hölle, welcher Typ, verwendete noch das Wort Liebemachen in meinem Alter? Aber, hey, ich war romantisch veranlagt. Anscheinend ganz anders als der heiße Vamp, der auf mir saß. So sehr ich mich anstrengte, mein Widerstand bröckelte mit jeder Sekunde. Ich küßte ihren Hals, während sie fand, was sie suchte. Ihre Finger umfaßten mich und fuhren an meinem Schaft entlang.

„Einverstanden“, stieß Bella schwer atmend hervor. „Bevor wir das richtige erste Mal haben, gewähre ich dir zwei Dates.“

Ich knöpfte die restlichen Knöpfe ihrer Bluse auf und erblickte hinter einem cremefarbenen Spitzen-BH ihren kleinen, festen Busen. Kein Mann konnte einem solchen Anblick Gegenwehr leisten oder gar seine Finger davon lassen. Meine Hand tastete sich über ihr Dekolleté und hinab zu ihrer Brust. Sie fühlte sich so herrlich an, wie sie aussah.

„Ich will deine Telefonnummer.“

Isabella nickte.

„Ok.“

Meine rechte Hand fuhr über ihren Schenkel und verschwand unter ihrem Rock. Das was sie mit mir anstellte, wollte ich ihr gleichtun. Bereitwillig öffnete sie ihre Beine und ließen mich zu ihrem feuchten Höschen vordringen und unter es schlüpfen. Mir kreisenden Bewegungen entlockte ich ihr köstliches Stöhnen.

„Mehr“, forderte sie und plünderte meinen Mund.

Ich drang mit zwei Fingern in sie ein und erntete ein leidenschaftliches Knurren. Ihre Handbewegungen wurden immer fester und schneller und trieben mich in ungeahnte Höhen. Sie wußte ganz genau was sie mit mir anstellte. Ich meinerseits massierte ihre Brüste, rieb ihre harten Knospen, bis sie den Rücken durchdrückte und den Kopf in den Nacken warf. Noch nie hatte ich etwas solch Erotisches gesehen. Sie kam mit voller Wucht, zuckte um meine Finger und zitterte am ganzen Leib.

Draußen begann einmal mehr dieser unsägliche Klingelton des Grauens aufzuspielen. So sehr ich mich auch bemühte, es erstickte mein sexuelles Verlangen in sekundenschnelle.

„Gott, ich zähle die Stunden!“ stieß ich hervor.

Bella hatte inzwischen ihre Pumpbewegungen eingestellt und von mir abgelassen. Ihr Kopf lehnte an meiner Brust, während ihr Orgasmus nachließ. Sie hob ihren Blick und sah mich verwirrt an.

„Du zählst… was?“

Stöhnend deutete ich Richtung Tür und mein gequälter Gesichtsausdruck sowie der Lärm von draußen ließen sie wissend nicken.

„Bring deine Klamotten in Ordnung, wir werden um Hilfe schreien müssen, damit man uns rausholt“, wies sie mich an.

Meine Augenbrauen wanderten nach oben. Diese Idee erschien mir nicht sonderlich erfolgsversprechend. Es erforderte ein gutes Timing, jemanden auf uns aufmerksam zu machen und in unser Abteil zu locken. Sie stand auf und brachte ihre Haare in Form.

„Na, los, ich meine das ernst.“

Zögerlich erhob ich mich und kam ihrer Anordnung – eine Bitte konnte man das schlecht nennen – nach. Ich mußte zugeben, selbst wenn sie so mit mir sprach, war sie verdammt heiß. Zwar war ich nicht gekommen, dennoch fühlte ich mich von ihrem Anblick unheimlich befriedigt. In diesem Moment war mein Erguß zweitrangig. Genaugenommen war ich kurz davor gewesen, aber das war jetzt egal. Ich würde diese Frau lieben. Mehr als einmal. Und ganz bestimmt an angenehmeren Orten. Das schwor ich mir.

Als wir beide wieder gesellschaftsfähig aussahen, konnte ich es mir dennoch nicht verkneifen, Zweifel an ihrem Plan kundzutun. Bella lächelte mich wissend an.

„Du hast mich noch nicht schreien hören. Halte dir die Ohren zu, das könnte etwas laut werden.“

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie das bewerkstelligen wollte. Ein derart zierliches Persönchen konnte nicht zu einem Brüllaffen mutieren, den man Kilometer weit hörte.

Und dann legte sie los.
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