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Rechtschreibforum

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kommt darauf an

Autor:Kurt Krueger
Datum: So, 04.04.2004, 02:41
Antwort auf: letzten oder letztes (Frank)

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Kurzfassung:

"LetzteS" ist richtig, wenn Sie den Rechtschreibregeln folgen wollen.

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Langfassung:

Beides ist richtig, aber unter verschiedenen Gesichtspunkten.

Letztendlich ist entscheidend, WESSEN Regeln Sie akzeptieren wollen.

1 - Nach den Rechtschreibregeln muss es heißen: "letzteS Jahres". (Ich
gehe davon aus, dass die neuen Regeln hier den alten Regeln folgen.)

2 - In der Bevölkerung durchgesetzt hat sich aber auch das ursprünglich
falsche "letzteN Jahres". Es gibt hier also ein Gewohnheitsrecht.

3 - Der Duden wiederum gibt die Rechtschreibregeln UND die Gewohnheitsregeln
wieder. Im Duden werden Sie also vermutlich beide Lösungen finden. (Oder
noch eine dritte, wer weiß.) Ebenso ist es in den anderen Wörterbüchern.

4 - Außerdem gehört die Sprache Deutsch ALLEN Deutschen. KEIN Deutscher
ist dauerhaft und hundertprozentig zu irgendwelchen Sprech-Regeln zwingbar
und JEDER kann somit die Sprache Deutsch mehr oder weniger frei
mitgestalten. Die Frage nach dem "Richtig"/"Falsch" ist somit bei jeder
Lösung, die von mehr als einer Person akzeptiert wird, mit "Richtig" zu
beantworten.

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zu 1 - Rechtschreibung, "letzteS Jahres"

Hier kommt bei männlichen/sächlichen Wörtern das Genitiv-S zum Tragen.
Ein Genitiv-N gibt es nicht!

Dazu mal ein paar Vergleichs-Beispiele:

- das Ende deR letzten Woche
- das Ende letzteR Woche

- am Ende eineS jeden Jahres
- am Ende jedeS Jahres

- der Mai deS letzten Jahres
- der Mai letzteS Jahres

- der Bart deS alten Mannes brennt
- alteS Mannes Bart brennt

Wer "seit Mai letzteN Jahres" sagt, der müsste konsequenterweise
auch "seit Ende letzteN Woche" sagen.

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zu 2 - Gewohnheitsregeln, "letzeN Jahres"

Dazu vertrete ich folgende These:

Viele Menschen sprechen so, weil sie es vornehm finden, sich
also von den "gewöhnlichen" Menschen abgrenzen wollen.

Viele sprechen so, weil sie es schöner finden. Wenn ich das
HÖRE, dann dreht sich mir da immer der Magen um. Es ist
allerdings tatsächlich leichter auszusprechen und somit
ja letztendlich besser. Also, warum wehre ich mich so sehr
dagegen?

Die meisten jedoch sprechen so, weil es normal ist.

Was bedeutet "normal"?
Wer in unserer Gesellschft eine Haltung einnimmt, die nicht der
Mehrheitshaltung entspricht, hat eine schwache Position und kann
leichter von anderen Menschen angegriffen werden. Das ist
uns allen mehr oder weniger bewusst. Deshalb neigen wir dazu,
uns in unserem Verhalten an die Mehrheit anzupassen. (Sich bei
der Begrüßung die Hände reichen; im Büro eine Krawatte tragen;
nicht nackt auf die Straße gehen; Männer tragen nur Hosen und
keine Röcke - wer's doch tut, der wird gesteinigt; am Telefon
brav mit dem eigenen Namen melden - was für ein Glück, dass man
jetzt auch "hallo" sagen darf; und so weiter.)
Die ansich falsche Sprechweise "seit Mai letzteN Jahres" hat
sich inzwischen derart stark verbreitet, dass jemand, der
"letzteS Jahres" sagt, als Idiot gilt und von denen verachtet
wird, die es in Wirklichkeit selbst falsch machen.

In alten Nachrichten-Sendungen des Fernsehen (NDR, "Tagesschau",
30 Jahre alt) wird die Sprechweise mit dem N schon verwendet.
Diese Sprechweise ist also keine aktuelle Mode, sondern uralte
Gewohnheit.

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zu 3 - "der Duden"

Geschmacksache. Wer's braucht. Ich rate ab.

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zu 4 - die Sprache Deutsch gehört ALLEN Deutschen

Und alle Deutschen machen davon auch Gebrauch! Kein einziger
Deutscher hält sich an alle Regeln. Ja, den meisten Deutschen sind
die Regeln ja nicht einmal vollständig bekannt!

Durch die Rechtschreibreform und durch die Aktivitäten des
Dudes-Verlages (Stichwort "Downloaden") ist diese Menge sogar
noch größer geworden.

Das ist doch Beweis genug dafür, dass die amtlichen Rechtschreib-
regeln letztlich nur empfehlenden Charakter haben, aber nicht
zwingenden.

Es hat absolut keinen Sinn, auf Krampf EINE bindende Regel zu
suchen oder an ihr festzuhalten. Sprache soll verbinden (mit denen,
die wir mögen) und trennen (von denen, die wir verachten).

In diesem Sinne sollte man die Frage nach "Richtig"/"Falsch" gar
nicht mehr stellen, sondern denen, die unbedingt eine "falsche"
Lösung verwenden möchten, diese Freiheit lassen. (Sofern man an
deren Freiheit interessiert ist.)

Beispiele für freies Deutsch:
"ich habe fertig" - das ist ein Zitat aus dem Sportbereich
"das kann Frau so sagen" - statt "das kann man so sagen"
"Die GewerkschafterInnen" - um zu betonen, dass es nicht nur Männer sind

Hier noch ein gutes Beispiel: "Friseurin"
Es handelt sich um einen FRANZÖSISCHEN Begriff. Die weibliche
Form MUSS "Friseuse" heißen. Eine Frau, die ihre Berufsbezeichnung
von der männlichen Form "Friseur" ableitet und sich "Friseurin"
nennt, ist keine Frau mehr, sondern eine Männin! Das ist nun
wirklich SAUBLÖD - aber es hat sich durchgesetzt.

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Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich so gerne politisiere.
Als Minderheitler bin ich daran gewöhnt, Erklärungen abzugeben.

KK

 

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letzten oder letztes
Frank -- Sa, 3.4.2004, 22:14
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Julian von Heyl -- So, 4.4.2004, 00:05
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Tobi -- So, 21.9.2008, 23:00
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Kurt Krueger -- Di, 6.4.2004, 17:50
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Kurt Krueger -- Di, 6.4.2004, 16:31
Re: Friseurin / Friseuse / Masseurin / Masseuse
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Peel -- Mi, 14.7.2010, 18:30
die Friseuse, die Frisörin
oberhaenslir -- Do, 15.7.2010, 10:52
Re: kommt darauf an
Manfred Schlicke -- Di, 7.11.2017, 07:00