Der ungarische Staat als Zigarettenautomat

Zigarettenautomat
ZigarettenautomatClemens Fabry
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Die Regierungspartei schanzt den Tabakhandel der eigenen Klientel zu. Der Handel mit Tabakwaren ist in dem Donaustaat auch ein einträgliches Geschäft.

Budapest. Fassungslos spricht der ungarische Ableger der Anti-Korruptionsorganisation „Transparency International“ von „staatlichem Raub“. Noch härtere Worte findet Oppositionschef Attila Mesterházy. Es sei nicht mehr genug, die Taschen der der regierenden Fidesz-Partei nahestehenden Oligarchen zu füllen, sondern nun würden auch noch die der „korrupten kleinen Fidesz-Könige“ gestopft, empört sich der Sozialist über die kontroverse Neuordnung von Ungarns Tabakhandel: „Diese Regierung ist eine der Straßenräuber und Diebe.“

Mit der hehren Absicht, alleinstehenden Müttern, Behinderten und kleineren Selbstständigen zu einer neuen Einnahmequelle zu verhelfen, hatte die nationalpopulistische Fidesz-Partei im Herbst eine Neuordnung des Tabakwarenhandels beschlossen. Merkwürdigerweise wird dafür die Zahl der lizenzierten Tabakhändler ab 1.Juli von landesweit 45.000 Verkaufsstellen auf 5500 reduziert. Noch seltsamer mutet für Opposition, Medien und Bürgerrechtsgruppen jedoch das nun bekannt gewordene Ergebnis der Lizenzvergabe an: Offenbar wurden mit den Konzessionen vor allem Angehörige und Strohmänner von Fidesz-Fürsten oder sympathisierender Geschäftsleute bedacht.

38 Prozent der Ungarn rauchen. Der Handel mit Tabakwaren ist in dem Donaustaat denn auch ein einträgliches Geschäft: Auf rund 400 Milliarden Forint (1,35 Milliarden Euro) beziffert das Business-Portal portfolio.hu den Jahresumsatz mit dem blauen Dunst.

Vor allem in den Großstädten kamen bei der Lizenzvergabe weniger alleinstehende Mütter, sondern vor allem wohlhabende Figuren aus dem Fidesz-Dunstkreis zum Zug. Laut Recherchen des „Index.hu“-Portals sollen sich allein sechs von zehn Vorstandsmitgliedern der Supermarktkette CBA, die der Fidesz nahestehen, 17 Verkaufslizenzen in verschiedenen Budapester Distrikten gesichert haben. Weitere 16 Konzessionen seien vermutlich an Angehörige der CBA-Vorstände gegangen.

Auch Janos Lazar, früherer Fidesz-Fraktionschef und nun als Staatssekretär der Leiter des Ministerpräsidentenamts, hat sich eine der Lizenzen gesichert. Doch damit nicht genug: Persönlich beantragte er im Parlament die Anhebung des garantierten Gewinns der neuen Tabakkonzessionäre auf zehn Prozent: Bislang lag die Gewinnmarge im Zigarettenhandel bei drei bis vier Prozent. Vergeblich forderten Bürgerrechtsgruppen die Veröffentlichung der Protokolle der für die Lizenzvergabe zuständigen Kommissionen ein. Stattdessen peitschte Fidesz im Parlament flugs eine Einschränkung der Transparenzpflicht für Behörden durch: Diese müssen angeforderte Daten künftig nicht mehr offenlegen, wenn deren Herausgabe „zu viel Arbeit“ erfordere.

Es sei eindeutig, dass die Tabaklobby und „die ständig Hysterie verbreitenden Linksparteien“ hinter der Kritik an der Neuordnung steckten, so Fidesz-Sprecher Mate Kocsis. Dabei hat die Welle der Empörung über die Dreistigkeit der Fidesz-Fürsten ein eigener Parteifreund ausgelöst: Der Tierarzt Akos Hadhazy, Fidesz-Stadtrat im südungarischen Szekszard, offenbarte in einem Interview mit dem Wochenmagazin „HVG“, wie bei lokalen Parteitreffen über die künftigen Tabakkonzessionäre entschieden wurde: „Wir sollten sagen, wen wir von den Bewerbern kennen und wer unserer Meinung nach der Geeignete für den Job wäre.“

Der Lokalpolitiker macht für die Deformierungen seiner Partei an der Macht nicht nur deren Zweidrittelmehrheit und die schwache Opposition, sondern auch den Mangel an interner Kritik verantwortlich.

Auf einen Blick

In Ungarn wurden die Lizenzen für den Tabakhandel neu geordnet. Opposition und die Anti-Korruptionsplattform „Transparency International“ üben heftige Kritik an der Vergabe. Statt alleinerziehender Mütter und sozial Schwacher hätten vor allem Protegés der regierenden nationalpopulistischen Fidesz-Partei die lukrativen Lizenzen zugeschanzt bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2013)

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