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Brodelnder Atlantik: Strudel, Schwefel, Unterseeberg

Foto: DPA/ IGN

Vulkanausbrüche bei El Hierro "Das Monster steigt aus dem Wasser"

Vor der Kanareninsel El Hierro knallt es auf dem Meer: 20-Meter-Fontänen und Steine schießen hoch, die See brodelt und stinkt nach Schwefel. Der unterseeische Vulkan, der eine neue Insel im Atlantik erschaffen könnte, braucht nur noch wenige Meter - dann durchbricht er die Wasseroberfläche.

Hamburg - "Das Monster steigt aus dem Wasser", gruselt sich die spanische Zeitung "La Provincia". Wissenschaftler sehen das eher nüchtern; sie diagnostizieren, der Vulkan südlich vor der Kanareninsel El Hierro sei in die dritte Phase seiner Eruption eingetreten - er speie nun auch über dem Meer: Bis zu 20 Meter hohe Wasserfontänen spritzten in den letzten Tagen aus dem Atlantik. Am Dienstag sichteten Anwohner sogar Steine, die aus dem Meer schossen. Brodelnde Strudel - Dutzende Meter breit - kreisen auf dem Ozean; sie verrühren dunkles Lavapulver. Messungen ergaben, dass die Strudel deutlich wärmer sind als die Umgebung.

Bislang zeigte der Vulkan seine Explosivität nur unter Wasser. Jetzt lassen die Ausbrüche vor El Hierro die Wasseroberfläche schäumen, als ob der Vulkan Schluckauf hätte. Südlich der Kanareninsel türmt sich die Lava bereits zu einem Unterseeberg. Dass die Eruptionen nun Wasser in die Luft spritzen lassen, zeigt, dass der Berg wächst - die Ausbruchsstellen nähern sich der Oberfläche. Geologen glauben, dass sich bald eine neue Insel aus dem Meer erheben könnte - Anwohner suchen schon einen Namen für das Neuland. Nur noch 70 Meter fehlen zur Meeresoberfläche, berichten Experten des spanischen Geoforschungsinstitut IGN.

Am Wochenende mussten abermals Hunderte Einwohner ihre Wohnungen im Süden von El Hierro verlassen; Straßen wurden gesperrt. Anwohner riechen die Gefahr: Stinkende Schwefelschwaden wehen vom Meer herüber. Das kanarische Vulkanologiezentrum Involcan meldet dreifach erhöhte Kohlendioxid-Werte - ein Warnsignal dafür, dass weitere Ausbrüche bevorstehen.

Auch die Nordküste wird unruhig

Die Unruhe im Meeresboden nimmt zu: Seit Juli haben mehr als 10.000 leichte Beben El Hierro erschüttert, seit dem 22. Oktober ruckelt es immer stärker; manche Wackler waren heftiger als Stärke vier auf der Erdbebenskala. Die Beben zeigen ein Muster, das typisch ist für strömende Flüssigkeiten: sogenannten harmonischen vulkanischen Tremor. Ein deutliches Zeichen für bevorstehende Eruptionen.

Die Ausbrüche könnten sich an Land verlagern, warnen Wissenschaftler seit September. In den letzten Tagen wanderte das Ruckeln vom Süden in den Norden von El Hierro. Weil sich die meisten Beben dort aber bislang in mehr als zehn Kilometern Tiefe ereigneten, sei in der Gegend wohl noch nicht unmittelbar mit einem Ausbruch zu rechnen, teilten die lokalen Behörden mit. Das Magma schien bislang in der Tiefe festzustecken. Doch nun wandert es nach oben - die Beben ereigneten sich zuletzt in flacheren Gefilden.

Auch an der Nordküste am El-Golfo-Tal könnte es demnach bald zu Ausbrüchen kommen, warnt das IGN. Nicht nur Eruptionen an Land könnten bedrohlich sein, gefährlich würde es bereits, wenn Magma in flacherem Wasser austräte - große Dampfexplosionen wären die Folge, sagt Ramón Ortiz, Wissenschaftsberater der örtlichen Regierung.

Lavaflüsse und Steinhagel

Vor der Südküste treiben Bimsstein- und Ascheteppiche. Erste Analysen der Vulkanprodukte haben Experten überrascht: Sie lieferten "klare Hinweise auf explosives Potential" des Vulkans, erklärte der Geochemiker Domingo Gimeno Torrent von der Universidad de Barcelona gegenüber der Zeitung "Diario El Hierro" .

Meist fördern sogenannte Hot-Spot-Vulkane wie die Kanaren basaltisches Magma mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Siliziumdioxid (SiO2). SiO2 wirkt wie Klebstoff, es macht Magma zähflüssig, so dass sich darin Gase stauen, die das Gebräu explosiv machen. Der El-Hierro-Vulkan jedoch speise sich offenbar aus zwei Magma-Vorräten, einem wenig explosiven Basalt-Magma und einem explosiveren, SiO2-reichem Magma, berichtet der Geochemiker Torrent.

Die Gefahr großer explosiver Eruptionen auf den Kanaren dürfe zwar "nicht vernachlässigt werden", mahnen Geoforscher um Rosa Sobradelo vom Geoforschungszentrum CSIC in Barcelona in einer Studie im Fachblatt " Natural Hazards and Earth System Sciences" . Ihre Häufigkeit sei bislang nicht abschätzbar. Selbst die folgenreichsten Ausbrüche der vergangenen Jahrhunderte blieben jedoch örtlich begrenzt.

Selbst bei Ausbrüchen an Land seien keine größeren Eruptionen zu befürchten, erklärt das IGN. Höchstens in der näheren Umgebung der Ausbruchsstelle bestehe ein Risiko: Lavaflüsse und Steinhagel wären möglich.