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Wirtschaft

Russland zieht bei Nord Stream 2 den Kürzeren

Wirtschaftsredakteur
Die Gaspipeline ist gesichert, Dänemark erteilt Gazprom die Baugenehmigung. Gewinner des Streits sind dennoch die Ukraine und die USA

Dänemark hat als letzter betroffener Staat seinen Widerstand gegen den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland aufgegeben. Die Behörden erteilten dem russischen Bauherrn Gazprom jetzt die Genehmigung für die Verlegearbeiten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone südöstlich von Bornholm.

„Wir freuen uns über die Zustimmung Dänemarks“, erklärte Samira Kiefer Andersson, die für das Land zuständige Managerin der NordStream2 AG. „Wir werden die konstruktive Zusammenarbeit mit den dänischen Behörden fortsetzen, um den Bau der Pipeline abzuschließen.“

Gegen den Bau der Pipeline hatten mehrere EU-Staaten, darunter vor allem Polen, und das EU-Parlament mit dem Argument Front gemacht, die Leitung erhöhe die Abhängigkeit der Europäischen Union von russischen Gaslieferungen. Nach der russischen Aggression gegen die Ukraine bemühte sich auch die US-Regierung, das russische Pipeline-Projekt zu verhindern oder zumindest zu verzögern. US-Amerikanische Sanktionsdrohungen gegen die westeuropäischen Finanziers des Gazprom-Projekts standen bis zuletzt im Raum.

Zwar haben die Amerikaner ihr Primärziel, die Pipeline komplett zu verhindern, nicht erreicht. Doch immerhin gelang es der US-Administration – mutmaßlich durch diplomatische Intervention in Dänemark – das Projekt lange genug hinauszuzögern, um der Ukraine in den Verhandlungen mit Russland über die Weiterführung des Gastransits einen wichtigen Vorteil zu verschaffen.

Der Vertrag über den Transport russischen Gases über das Gebiet der Ukraine läuft am 31. Dezember dieses Jahres aus. Ohne Anschlussvertrag kann die Gazprom ihre Lieferverpflichtungen gegenüber ihren westeuropäischen Kunden nicht erfüllen. Deshalb hatte der russische Konzern alles daran gesetzt, bis Ende des Jahres mit Nord Stream 2 eine alternative Route zur Verfügung zu haben. Damit ist Gazprom jetzt jedoch gescheitert.

Denn in der dänischen Wirtschaftszone sind noch 147 Kilometer Pipeline im Doppelstrang zu verlegen, also insgesamt fast 300 Kilometer. Bei einer Verlegegeschwindigkeit von durchschnittlich rund drei Kilometern am Tag braucht Gazprom also noch rund 100 Tage, um die Pipeline fertigzustellen. Hinzu kommt Zeit für den notwendigen Testbetrieb. Damit steht den Russen bis weit über das Ende des Transitvertrages mit der Ukraine hinaus keine Alternative zur Verfügung. Kiew kann in den Verhandlungen mit Russland deshalb bessere Bedingungen über Laufzeiten und Preis des Gastransits herausschlagen. Damit wird das Sekundärziel der US-Regierung, eine Stabilisierung der Ukraine, erreicht.

Dass die Ukraine gegenüber Russland „am längeren Hebel“ sitzt, hatte zuletzt bereits die unabhängige Expertenkommission zum Monitoring der deutschen Energiewende festgestellt: „Nimmt man die Bedeutung der Staatseinnahmen des Gastransits für die Ukraine (4 Prozent) gegenüber den russischen Staatseinnahmen aus Energieexporten (40 Prozent föderal, 20 Prozent gesamtstaatlich) zum Maßstab, so ist eine ökonomische Asymmetrie zu erkennen“, heißt es im Bericht der Wissenschaftler um den Münsteraner Umweltökonomen Andreas Löschel: „Ein Ausbleiben einer Anschlussregelung in der Ukraine würde einen geringeren Schaden anrichten als in Russland.“

Pipeline-Befürworter hatten darauf verwiesen, dass die europäische Erdgasförderung stark rückläufig ist. Insbesondere die Niederlande hatten ihre Produktion aufgrund von Erdbeben in der Förderregion stark eingeschränkt. Die Nachfrage nach Erdgas steigt aufgrund des Kohle- und Atomausstiegs in vielen europäischen Ländern allerdings stark an. Eine stärkere Abhängigkeit von Russland sei überdies nicht zu befürchten, weil viele europäische Häfen dazu befähigt wurden, Tankschiffe mit verflüssigtem Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG) anlanden zu lassen. LNG-Lieferungen unter anderem aus den USA erreichen über den Hafen Rotterdam auch den deutschen Markt. Die Alternative LNG begrenzt insofern den Preissetzungsspielraum des europäischen Hauptlieferanten Russland.

Bis heute sind über 2100 Kilometer der Pipeline verlegt worden. Die Rohrverlegung wurde in russischen, finnischen und schwedischen Gewässern vollständig abgeschlossen. In deutschen Gewässern fehlt noch ein 16 Kilometer langes Verbindungsstück. Der Bau beider Anlandestationen in Russland und Deutschland steht kurz vor dem Abschluss. Nord Stream 2 hat bereits Investitionen in Höhe von sechs Milliarden Euro getätigt, ein Großteil der Mittel wurden von den westeuropäischen Gazprom-Partnern aufgebracht.

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